Das neue Jahr beginnt wie in einem Pixelbeschleuniger: die Zahl der Tablet-PCs und eReader explodiert. Auch die Verleger haben es plötzlich eilig, ihre Zeitungen und Zeitschriften-Titel fit zu machen für die Zukunft. Nook, Que, Skiff heißen die neuen Hoffnungsträger – und allen voran das iSlate, Apple’s langersehnte Mutter aller Tablets.

 

2010 ist das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen

Nach Smartphone und Netbook wird 2010 das Jahr des Tablets. 3 Millionen eBook-Reader sind bereits verkauft worden. Forrester Research rechnet mit zusätzlich 6 Millionen Geräten allein in diesem Jahr. Amazon hat vergangene Weihnachten erstmals mehr eBooks verkauft als gebundene Bücher. Doch, wer hätte das gedacht, der erfolgreichste eReader weltweit ist nicht etwa der Kindle, auch nicht Sonys Reader… mehr dazu später.

Die wichtigsten Modelle:

Amazon Kindle – Das Auslaufmodell

Um es kurz zu machen: Der Kindle ist tot – zumindest in seiner jetzigen Form. Nicht nur, dass das Gerät mit seinem Schwarz-Weiß-Display (16 Graustufen) hoffnungslos veraltet ist. Auch die Neuauflage des eBook-Pioniers konnte nicht überzeugen – im Gegenteil: Befragungen zeigen sogar, dass die Kunden mit dem jüngsten Kindle-Modell DX unzufriedener sind, als mit dem allerersten Modell. Wohl auch mit ein Grund, warum Jeff Bezos den kleinen Kindle in einer Nacht- und Nebel-Aktion plötzlich weltweit verschicken ließ: weg damit, bevor man am Ende noch auf den Geräten sitzen bleibt. Der DX soll dann Ende Januar weltweit verkauft werden.

 

Pro:

  • große Titel-Auswahl
  • lange Batteriedauer
  • Direkter WiFi UMTS-Download (danke Benjamin)
  • Bücher günstiger als bei der Konkurrenz

Contra:

  • Überholte Technik
  • Bücher an Kindle gebunden
  • Kindle an Amazon gebunden

Sony Reader: Der Lahme

Auch Sony war mit seinem Reader früh auf dem Markt. Anders als der Kindle setzt Sony auf den verbreiteten ePub-Standard, macht es also möglich, Bücher von unterschiedlichen Anbietern zu beziehen (Kein Wunder – anders als Amazon verfügt Sony über keinen eigenen eBook-Shop). Auch Sonys Reader gibt es bislang nur als Schwarzweiß-Modell. Was wirklich nervt, ist das Umblättern – das dauert zu lange. Bis auf das teuerste Modell verfügt Sonys Reader nicht über einen direkten Wifi-Download – sprich: neue Titel müssen erst über PC heruntergeladen und dann per Kabel auf das Gerät gespielt werden. Seit Herbst gibt es auch ein Modell mit Touch-Screen, was allerdings auch die Schärfe des Schriftbildes beeinträchtigt.

Pro:

  • Kontrastreiches Display
  • Offenes eBook-Format
  • Speicher erweiterbar

Contra:

  • Langsam
  • Kein WiFi (Ausnahme: das teuerste „Daily“-Modell)

Barnes & Noble Nook – Der Kompromiss

Der Nook ist erst seit wenigen Tagen in den USA erhältlich. Der erste E-Reader mit Farb- und Touchdisplay, das allerdings auch nur ganz unten im Navigationsbereich. Das Gerät ist geringfügig kleiner als der Kindle, dafür aber ein wenig dicker. Obwohl ich den Nook noch nicht selbst in Händen gehalten habe, fällt das Urteil bei den einschlägigen Tech-Gurus schlecht aus: der Seitenaufbau dauert demnach bis zu 3 Sekunden (!), das zweigeteilte Display erweist sich nicht nur als Kompromiss-Lösung – es verwirrt offenbar: die Tester berichten, die Menüführung sei wenig intuitiv und man vergisst offenbar ständig, dass nur der untere Bereich als Touchscreen. bedienbar ist. Darüberhinaus kämpfe das Auge beim Lesen stets gegen den unteren (hintergrundbeleuchteten) Farbbildschirm an.

Pro:

  • Teils Farb-Touchscreen
  • Bücher können an andere Geräte „verliehen“ werden
  • WiFi

Contra:

  • Seitenaufbau laaangsam!
  • Zweigeteiltes Display konfus
  • WiFi nicht möglich bei HotSpots, die Anmeldebildschirm benötigen

Hewlett Packard/Microsoft – Der Unfertige

Steve Balmer machte gute Miene zum bösen Spiel. Er hatte auf der CES in Las Vegas nicht wirklich etwas Neues zu präsentieren, musste es aber trotzdem – denn: Ballmer konnte ja schlecht zugeben, eine so fundamentale Entwicklung wie die Tablet-PCs verschlafen zu haben. Und so lieferte der Microsoft-Boss eine recht allgemeine Ansicht mehrerer Tablet-PCs, die mit Windows 7 laufen und irgendwann mal in diesem Jahr herauskommen sollen. „Tolle, kleine Geräte, um damit zu lesen, im Web zu surfen und Unterhaltung für unterwegs zu haben“ – hier nochmal im Original:

Plastic Logic Que: Das Business-Modell made in Germany

Auf unserem Weg zu Facebook haben Marcus Schuler und ich auch bei dem britisch-deutsch-amerikanischen Unternehmen Plastic Logic vorbei geschaut (das Gerät wird in Dresden hergestellt). Im Silicon Valley hatte man uns einen Vorgänger-Prototypen des Que präsentiert, der gestern erstmals auf der CES in Las Vegas vorgeführt wurde.

Der Que besticht durch sein Touchscreen-Display ohne Glas.. Er ist deutlich größer als Kindle & Co, dafür äußerst flach. Inhaltlich konzentriere man sich vor allem auf Wissenschafts- und Wirtschafts-Publikationen (muss man auch, denn das Gerät ist mit seinen rund 800 US$ das teuerste auf dem Markt), man wolle aber auch den Zeitungs- und Zeitschriften-Markt abdecken. Der Que ist kompatibel mit den meisten gängigen Dokument- und Grafik-Formaten (u.a. PDF, JPG, GIF, PNG, ePub, eReader DRM und Microsoft Dokumente) und verfügt über einen direkten Wireless-Zugang.

Hearst Skiff: Die Überraschung

Der Skiff ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen, weil er von einem Zeitungsverleger (Hearst-Gruppe) entwickelt wurde. Zum anderen, weil er aus flexiblen Blattmetall besteht und damit besonders belastbar sein soll. Ähnlich wie der Que konzentriert sich der Skiff vor allem auf den Zeitungs- und Zeitschriften-Markt, daher misst auch er stolze 11,5 inch. Der Bildschirm kommt völlig ohne Glas aus und ist dennoch touch-gesteuert. Mit einer Auflösung von 1200 x 1600 Pixeln sollen Schriftbild und Grafiken gestochen scharf sein. Wann und zu welchem Preis das Gerät auf den Markt kommt ist noch unklar.

Und dann natürlich…

Apple: iSlate – Die Mutter aller Tablets

Zum Apple iSlate ist schon alles gesagt und geschrieben worden, was sich aus vagen Äußerungen, Kaffee- und anderen Sätzen angeblicher Kenner zusammenreimen lässt. Nur soviel: die Andeutungen zum Premieren-Termin, die ein Apple-Mitarbeiter aus Cupertino verg. Oktober mir gegenüber in einem kleinen Café in Palo Alto gemacht hat, scheinen sich zu bewahrheiten.

Als Steve Jobs vor genau 3 Jahren auf die Bühne des Moscone-Centers in San Francisco trat, strotzte der Apple-Chef nur so voller Selbstbewusstsein:

„Every once in a while a revolutionary product comes along that changes everything“, leitete er den Hauptteil seiner Keynote ein. Dann zog er das iPhone aus der Tasche und, bescheiden wie er ist, setzte noch einen drauf: „Apple has reinvented the phone“. Boom! Das saß.

100.000 Apps und 3 Millarden Downloads später wissen wir: Steve Jobs hat Recht behalten. Im Grunde genommen hatte der Apple-Chef sogar untertrieben. Denn Apple hat nicht nur ein völlig neuartiges Telefon auf den Markt gebracht. Apple hat den gesamten Markt auf den Kopf gestellt.

Heute prügeln sich Softwareanbieter, Zeitungs- und Zeitschriftenverleger darum, auf das iPhone zu kommen (siehe blogpost:. Von Apps und Apparatschiks). Die Konkurrenz konnte ganze Produktreihen ihrer herkömmlichen Telefone einstampfen. Die Mobilfunkindustrie brauchte Jahre, um sich vom iPhone-Schock zu erholen.

Erfolgreichster eBook-Reader aktuell: das iPhone

Wie eingangs erwähnt, . der erfolgreichste eReader weltweit ist nicht etwa der Kindle oder Sonys Reader – sondern – das iPhone.. Das Apple-Handy hat sich still heimlich zum. weltweit meistgenutzten eBook-Reader entwickelt. Und das vor allem aus zwei Gründen: zum Einen, weil das iPhone (anders als der Kindle) sehr schnell weltweit zu haben war. Zum Anderen scheint das Mini-Display des iPhones die Menschen nicht vom Lesen abzuschrecken: die am meisten heruntergeladenen iPhone-Apps sind nicht etwa Spiele oder Währungsrechner sondern Bücher.

Apple verschweigt diese Information nur allzu gerne. Steve Jobs höchst persönlich war es, der noch vor zwei Jahren. in der New York Times abschätzig über den Kindle spottete:

„It doesn’t matter how good or bad the product is, the fact is that people don’t read anymore, forty percent of the people in the U.S. read one book or less last year. The whole conception is flawed at the top because people don’t read anymore.“

Apple erkannte offensichtlich schon lange das Potential hinter dieser Entwicklung und wollte wohl nicht allzu früh schlafende Hunde wecken.

Am 26. bzw. 27. Januar soll es nun also soweit sein, dann werden wir wissen, ob Apples Tablet auch Kaffeekochen kann. Wer sich einen eReader kaufen will, sollte dieses Datum also unebdingt noch abwarten.

Mehr aus Apples Gerüchteküche in meinen blogposts iSlate – heisst so das Apple Tablet? und Warum das Apple Tablet abräumen wird.

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4 Kommentare
  1. Benjamin schreibt:

    Kurze Anmerkung zum Kindle:
    Es hat keine Wifi-Funktion. Dafür aber einen eingebautes UMTS-Modul, dass den Download von Inhalten in 100 (?) Ländern ermöglicht.
    Ich benutze das Kindle seit drei Monaten und bin begeistert. Zwar vermisse ich die intuitive Bedienbarkeit eines Touchscreens. Dafür ist das Display top und das Gerät schlicht praktisch. Jeden Morgen, wenn ich aufwache ist die Zeitung da, es gibt Dutzende Zeitschriften als Abo und der Kauf von Büchern (hauptsächlich englisch) ist kinderleicht und stressfrei. Ach ja, der Akku hält eine mindestens Woche.
    Ich mag es.

    • Richard Gutjahr schreibt:

      Danke für den Hinweis. Werd’s korrigieren mit Hinweis auf Deinen Kommentar natürlich. – Was die Technik angeht war Kindle sicherlich über Jahre hinweg Pionier und Wegbereiter. Mal schauen, wie sich die anderen Modelle dieses Jahr so im Alltag schlagen…

  2. Sonja schreibt:

    Hallo Richard,

    Dein Artikel über das von mir als alte Newton-Userin heiß ersehnte Apfeltablett ist klasse:) Dankeschön;) Wenn Du rüberfliegst, bringst Du mir eins mit?? Danke!
    Btw: So schön möcht ich auch mal schreiben können:)))
    Sonnige Grüße,
    Sonja

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