Do-it-yourself-Bücher für jedermann? Mit iBooks-Author präsentiert Apple eine Gratis-Software zum Erstellen eigener, multimedialer eBooks. Ich habe mir die vergangene Nacht um die Ohren geschlagen, um heute mein erstes 150-Seiten starkes G! book zu veröffentlichen.

Nein, Revolution war das keine, was Apple da gestern im Guggenheim an der New Yorker Upper East Side präsentiert hat. Und doch ist der Markt, den die Kalifornier mit ihrem iPad/iBooks-Duo anvisieren, gewaltig: elektronische Lehrbücher für Schulen und Universitäten. Die ersten Exemplare dieser neuen eBooks, für das der Apple-eigene Buchshop iBooks auf . iBooks 2 gepimpt wurde, sahen dann auch erwartbar schick aus. Bio- und Chemieschmöker, angereichert mit hübschem Multimedia-Eyecandy. Produktchef Phil Schiller:. „I don’t think there’s ever been a textbook that made it this easy to be a good student.“ Naja. Ob Apple damit das Schulbuch wirklich grundlegend neu erfunden hat, darf bezweifelt werden, jedoch: die Richtung stimmt.

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Der ich-Buchautor

Sehr viel spannender: der. iBooks Author, eine Mischung aus den Apple-iWorks-Programmen Pages und Keynote (respektive Microsoft Word und Powerpoint aus der Windows-Welt). Apple verspricht, mit dieser Mac-Software könne jeder Laie spielend eigene Text- oder auch Bilderbücher erstellen und mit „ein paar einfachen Schritten“ veröffentlichen. Neugierig wie ich bin, musste ich das natürlich sofort ausprobieren und habe diese Nacht mein erstes, eigenes Buch zusammengestellt.

Das Programm selbst lag schon wenige Minuten nach der Präsentation im Mac App Store vor. Die Software ist gratis, könnte man auf dem ersten Blick meinen, was so aber nicht ganz stimmt. Dazu später mehr.
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Schritt für Schritt.

Beim Öffnen von iBooks Author wird man wie bei Pages von einem Menü mit mehreren Vorlagen begrüßt. Man sucht sich ein passendes Thema aus und landet dann im Editor, von wo man aus das Cover, das Vorwort, die Kapitel bis hin zum Glossar gestaltet. Positiv: Um Seitenzahlen und Inhaltsverzeichnis muss man sich nicht kümmern. Mit jedem neuen Kapitel erfolgt eine automatisierte Verknüpfung im Seiten-Index. Ebenfalls gelungen: intuitives Drag-and-drop-Einfügen von Bildern, Fotos und Videos. Mit etwas Programmierkenntnissen lassen sich sogar eigene HTML-Widgets platzieren.

Für Coding-Analphabeten wie mich gibt es Bildergalerien und Multiple-Choice-Quizes im Baukasten-Prinzip. Man muss etwas herumspielen, um das System zu durchschauen. Hat man’s mal raus, lassen sich damit brauchbare Mini-Fragebögen bauen, beispielsweise zur Kontrolle von Lernzielen am Ende eines Kapitels.

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Die Schwachpunkte

Gleich mehrfach hat es mir beim Bau der Seiten die Formatierungen zerschossen. Flächen, Fonts und Farben waren plötzlich wieder auf die Werkseinstellung des jew. Themas zurückgesprungen. Auf den Seiten platzierte Objekte (Grafiken, Filme) scheinbar verschwunden. Des Rätsels Lösung: der Horizontal/Vertikal-Modus! Filme, die im Längsformat platziert werden, sind im Hochformat auf einmal unsichtbar und vice versa. Auch Schrift- und Rahmenformatierungen wechseln wie von Geisterhand, je nachdem, in welchem Format man eine Seite betrachtet.

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Tipp:. Bildergalerien, Multiple-Choice-Kästen etc. lassen sich nur in der Horizontal-Ansicht bearbeiten. Im Vertikal-Format bleiben die Auswahl-Optionen der Widgets im Inspektor grau und sind nicht veränderbar.

Praktisch: die eingebaute Vorschau-Funktion. Dazu einfach das iPad mit dem Mac verbinden, auf dem iPad die iBooks-App öffnen (Achtung: Update auf iBooks 2 nötig, sonst klappst nicht!), und bei iBooks Author auf dem Mac den „Vorschau“-Button klicken. Wenig später erscheint das Buch mit einer Banderole „Proof“ (Proofreading) im iBooks-Regal. Zu meiner Überraschung war die Navigation und das Seitenlayout, mit kleinen Fehlern, nahezu vollständig funktions- und navigationstüchtig. Die Nachbesserungen für die immerhin rund 150 Seiten haben keine 30 Minuten gedauert.

Tipp:. Ist das Buch fertig, unbedingt zwei vollständige Kontrolldurchgänge machen, einmal im Hochkant-, einmal im Längsformat!

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Jetzt wird’s haarig: Das Veröffentlichen

Wie schon eingangs erwähnt, ist die iAuthor-Software gratis. Im Prinzip. Allerdings nicht, wenn man sein fertiges Werk verkaufen möchte. Das darf man nämlich – laut Kleingedrucktem – ausschließlich über den Apple iBooks Store (und einer Abgabe des Verkaufspreises von 30 Prozent). Um zu verhindern, dass eifrige Hobby-Autoren ihre Bücher mit dem Apple-Programm gestalten, dann aber woanders anbieten, hat Apple die Export-Funktionen von vornherein beschnitten. Anderes als bei anderen Apple-Programmen wie zum Beispiel Pages, lassen sich ausgerechnet mit dem Apple-Buch-Editor keine Buchvorlagen im üblichen ePub-Format erstellen!

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   Mit diesem Formular bekommt man eine US-Steuernummer

Will man ein Apple iBook legal verkaufen, kommt man also nicht um den iBook Store von Apple herum. Dazu ist eine Steuernummer in den USA fällig, ohne die geht gar nichts. Weil ich ein hartnäckiger Hund bin, habe ich dann auch promt, nach deutscher Zeit um 3 Uhr morgens, bei der IRS angerufen, um mir telefonisch und mit einem gefaxten (!) . SS-4 Formular, eine US-Steuernummer zuteilen zu lassen. Die ist auch für Nicht-US-Staatsbürger erhältlich. Mit dieser „Employer Identification“ Nummer (EIN) kann man dann bei Apple den sog. „Connect“-Lieferanten-Zugang beantragen. Dauer: bis zu mehrere Wochen.

Um Euch nicht so lange auf die Folter zu spannen, habe ich hier eine Leseprobe meines Werks zum Download bereitgestellt. Die iPad-Datei (360 MB !) müsst Ihr in iTunes ziehen und von dort dann über den Reiter „Bücher“ auf das iPad laden. Die PDF-Datei (11 MB) könnt Ihr auch so (aber ohne Animation und Videos) auf jedem Bildschirm betrachten.

Ich halte Euch auf dem Laufenden, sobald mein G! book im iBooks-Store erhältlich ist. Habe ein paar nette Überraschungen eingebaut.

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77 Kommentare
  1. […] Buch-Experiment mit neuer e-Book-Software. Der Journalist und Blogger Richard Gutjahr macht den Stress-Test und probiert die neue “iBooks Author” Software von Apple aus. Und scheitert. Vorerst. Gutjahr […]

  2. Detlef Hauke schreibt:

    Warum verwundert es mich jetzt nicht, dass Du Dir gleich in der ersten Nacht ein eigenes iBook schnitzt ;-)

    Aber Spaß beiseite – ich finde den Ansatz von Apple sehr gut und bin gespannt darauf, wann meine Tochter die ersten Schulunterlagen von einem ihrer Lehrer auf’s iPad bekommt und nicht als tausend Jahre alter Abzug von einer noch älteren Matrize. Wenn ich die Regeln richtig gelesen habe, ist das kostenlose Verbreiten von iBooks ja zugelassen. Also Lehrer (und natürlich auch die Verlage) – ran ans Werk und weg mit längst überholtem Lehrmaterial.

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