California Diaries (4) – Die Schlacht um die Wolke ist im vollen Gange: Der US-Riese Salesforce.com hat zur Cloud-Computing-Konferenz nach San Francisco geladen. 45.000 Teilnehmer sind gekommen – eine der größten PR-Veranstaltungen dieser Art weltweit.

Die Cloud über San Francisco

„Disruption is here!“ . – „Welcome to the Post-PC-Era!“ – „The future is social!“ – Marc Benioff ist kein Mann der leisen Töne. Der 46jährige CEO von Salesforce.com, einem der größten Cloud-Anbieter der Welt, läuft durch die Sitzreihen der Konferenzhalle und beschwört eine Revolution. Nicht Ägypten, nicht Iran oder Syrien. Eine globale Revolution, die sich vor unseren Augen abspielt: eine Revolution in den Unternehmen.

„Wenn ein Volk in der Lage ist, einen Diktator zu stürzen – was macht Sie als CEO so sicher, dass Ihre eigene Belegschaft nicht auch eines Tages den Aufstand probt?“ so Benioff.. Der Multi-Milliardär gefällt sich in seiner Rolle als Tech-Visionär, Showmaster und Mäzen. Bevor der Chairman und CEO im Jahr 1999 Salesforce gegründet hat, war er 13 Jahre Manager bei Oracle. Davor hat er unter anderem in der Macintosh-Division. bei Apple und bei Atari gearbeitet.

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Die Dreamforce 2011 – eine Konferenz wie ein Rock-Konzert.. Vor 10 Stunden haben hier noch zur Salesforce-Party ‚Metallica‘ und ‚Will I Am‘ die Gitarren gewürgt respektive die Turntables gespint. Jetzt ist die gigantische Mehrzweckhalle in den Katakomben des Moscone Centers wieder bestuhlt, Strom und Netzwerkkabel an den Tischen. Die WiFi-Verbindung ist vom Feinsten, ungetrübter Handy-Empfang in alle Netzwerke. Hätte Elektrosmog eine Halbwertszeit wie radioaktive Strahlung – das Konferenzgebäude müsste wohl für 500 Jahre versiegelt werden.

Vor ziemlich genau einem Jahr haben Marcus Schuler und ich hier in Moscone West, nur einen Steinwurf entfernt, die Eröffnungs-Keynote der WWDC besucht. Doch anders als bei Steve Jobs, wirkt Benioff bemüht und marktschreierisch. Gut 2 Stunden redet er nahezu ohne Punkt und Komma auf die rund 15.000 Anwesenden ein. Doch während Steve Jobs die Aura eines ZEN-Meisters umgibt, hat Benioff eher etwas von einem Fernsehprediger: Touch the Screen!

Es wird Regen geben – Marc Benioff und die Wolke

Wie Apple will Salesforce natürlich vor allem eines: Verkaufen. Mit seinen CRM-Angeboten (Customer Relation Management) bewegt sich das Unternehmen aus San Francisco irgendwo zwischen SAP, Microsoft Dynamics, Oracle und Amazon Web-Services. Firmen sollen ihre Kunden-Datenbanken in die Wolke schieben, die gesamte Kommunikation soll über Salesforce abgewickelt werden. „E-Mail is dead!“ unkt Benioff und preist die Echtzeit-Kommunikation in den Betrieben.

Party-Crasher: Konkurrent Oracle wirbt vor dem Konferenz-Gebäude

Sein jüngster Streich: ‚Chatter‘, eine Art Facebook für die interne aber auch externe Firmenkommunikation. Dabei spielen vor allem die Sozialen Netzwerke eine große Rolle. So hat man über Chatter u.a. direkten Zugriff auf die letzten Tweets und Status-Updates der eigenen Kunden. Sollte das Kundenprofil löchrig sein, lassen sich die fehlenden Daten per Knopfdruck aus dem Netz auffüllen. Datenschutz? – Wieso, sagt Salesforce, Informationen von Facebook & Co . seien doch ohnehin öffentlich.

…weiter geht es mit deutschen Ängsten und Google-Guru Eric Schmidt

Salesforce misst dem Word-of-Mouth große Bedeutung bei. Das zeigt sich auch daran, dass neben klassischen Journalisten ungewöhnlich viele Podcaster und Tech-Influencer zu diesem Event eingeflogen wurden. Der Block mit den akkreditierten Bloggern in der Halle übertrifft den Presseblock um ein vielfaches. Auch Marcus und ich haben die Einladung nach San Francisco unseren Netz-Aktivitäten zu verdanken.

Außerhalb der USA hat Salesforce noch nicht so richtig Fuß gefasst. Gerade Deutschland ist aufgrund seiner Datenschutz-Bestimmungen für US-amerikanische Cloud-Anbieter ein hartes Pflaster.. Daniel ist System-Analyst eines mittelständischen Unternehmens mit Sitz in Martinsried bei München. Er findet Salesforce großartig:“Wir haben früher mit Siebel gearbeitet – viel zu umständlich.“Auch SAP sei unbrauchbar, so der junge Mann, die seien irgendwo in der Entwicklung stehen geblieben. „In Sachen Datenschutz allerdings schlagen unsere IT-ler Alarm“, räumt er ein, „Die halten gar nichts von der Wolke“.

Hundertprozentige Sicherheit gebe es nirgendwo, antworten die Salesforce-Manager auf solche Einwürfe. Um die Bedenken zu zerstreuen, hat der Cloud-Anbieter diese Woche für 30 Millionen Dollar ‚Navajo Systems‘ übernommen, ein israelisches Startup, das sich auf Realtime-Verschlüsselungstechnologien für Cloud-Computing spezialisiert hat.

Neelie Kroes,. EU-Kommissarin für Digitale Agenda neben Vivek Kundra, ehem.. first Chief Information Officer (CIO) unter Obama

Zweifel bleiben. Mit dem Patriot-Act von 2001 hat die US-Regierung vollen Zugriff auf alles, was auf US-Servern gespeichert ist. Das gilt für Google, Facebook und Twitter, aber eben auch für die Firmenserver von Salesforce.. So legt die niederländische EU-Kommissarin Kroes den Finger in die Wunde und erinnert an die Rolle der Telekommunikations-Unternehmen, die während der Revolution in Ägypten auf Druck der dortigen Regierung widerstandslos ihre Netze abgeschaltet haben.

Ein Thema, das auch der frühere Google-CEO Eric Schmidt. in der Abschluss-Diskussion bewegt. Das Internet habe die Kraft, autoritäre Regime zu überwinden. Dass sie es abschalten mussten, habe der Bevölkerung erst vor Augen geführt, wie mächtig diese Technologie ist. Die Zukunft des Internet, sieht Schmidt vor allem in 3 Bereichen: mobile, local und social. Und dann spricht er auch noch über. Steve Jobs und Apple: „Was Steve getan hat, ist mit Sicherheit die beste Performance, die ein Firmenchef in den letzten 50, vielleicht sogar 100 Jahren geschafft hat. Und er hat es zweimal getan.“

Den gesamten Auftritt von Eric Schmidt auf der Dreamforce-Konferenz fasst Marcus Schuler später. in seinem Blog zusammen. Bisher erschienen:

California Diaries (3) – Apple Zentrale: Mein Leben als Brian

California Diaries (2). – Können auch Mädchen Fanboys werden?

California Diaries (1) – Borderline

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9 Kommentare
  1. Pity schreibt:

    Sehr schöner Artikel, der (leider) mal wieder zeigt wie groß die Unterschiede bezüglich der Wahrnehmung/Nutzung des Internets noch sind. Schade, dass man diese Wahrnehmungen immer noch an Hand von Landesgrenzen nachvollzogen werden kann.

    Für meine kleine Besserwisserseele:
    In Martinsried wurde sicherlich mit Siebel gearbeitet. ;)

    • Richard Gutjahr schreibt:

      @Pity Mea Culpa – in diesem Fall die von Mac OS Lion. Die neue Autokorrektur hat aus Siebel – Siegel gemacht. Habs übersehen; danke für den Hinweis!

  2. André schreibt:

    Ein sehr guter Bericht. Wenn ein egozentrischer CEO „die Zukunft ist sozial“ ausruft, fehlt mir jedes Gegenargument. Man müsste dafür noch tiefer steigen.
    Ich hoffe, dass wir Menschen schnell lernen mit all dem umzugehen und es auch für gute Zwecke nutzen (s. dein Bericht über social Media in Ägypten).

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