Und plötzlich steht er vor mir: Steve Jobs. Es ist das erste mal, dass ich ihn persönlich sehe. Der Apple-Chef begutachtet mich, wie ich das iPhone 4 begutachte. Hier mein Bericht für die Münchner Abendzeitung.

Der Mann, der vor mir steht, ist nicht so groß, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Sein Markenzeichen, der schwarze Rollkragenpulli, wirkt abgetragen, fast schon etwas billig. Der Gürtel an der Jeans ist bis zum letzten Loch zugezogen. Der Mann ist hager und ausmergelt, von langer Krankheit gezeichnet.

Jenseits der Bühne wirkt Steve Jobs, Mitbegründer und Firmenchef des Elektronikriesen Apple, geradezu unscheinbar. Fast übersehe ich ihn, als er mir plötzlich gegenüber steht. Nur durch die Handzeichen eines Kollegen werde ich auf ihn aufmerksam.

Größer, lauter, bunter: die WWDC

Die WWDC, die Word Wide Developers Conference in San Francisco, ist das größte Branchentreffen von Apple-Mitarbeitern und freien Programmierern. Tickets kosten hier 1500 Dollar, und doch ist die Veranstaltung nun schon zum dritten Mal in Folge ausverkauft. Fünf Tage lang tauschen sich die Hard- und Softwareingenieure über ihre neuesten Entwicklungen aus. Das Ziel: sich eine Scheibe vom immer größer werdenden Markt für mobile Geräte, wie dem iPhone und seit kurzem auch dem iPad, abzuschneiden.

Mit dem iPhone war es Apple im Jahr 2007 gelungen, den Markt für sog. Smartphones umzukrempeln. Nach nur drei Jahren hat es das kalifornische Unternehmen geschafft, weltweit über 50 Millionen Telefone zu verkaufen. Heute ist Apple in den USA bereits zweitgrößter Hersteller von Smartphones. Ein beispielloser Erfolg, an den der Konzern nun gerne anknüpfen würde.

Flacher, schneller, stärker: das neue iPhone

Das neue iPhone 4 ist die logische Weiterentwicklung des Apple-Telefons: es ist flacher, schneller und leistungsstärker als seine Vorgänger. Mit Neuerungen wie z.B. einer besseren Kamera (5 Megapixel) und einer längeren Akku-Laufzeit dürfte es die Erwartungen vieler potentieller Neukunden erfüllen (alle technischen Fakten zum iPhone 4 im Kasten). Darüber hinaus beherrscht es auch Videotelefonie. Diese funktioniert allerdings nicht über UMTS sondern nur über W-Lan; und das auch nur dann, wenn der Angerufene ebenfalls eines der neuen iPhone-Modelle besitzt.

Mitten drin statt nur dabei: Die Keynote

Es ist Punkt 10 Uhr vormittags, als Steve Jobs die Bühne betritt. Die Vorträge des Apple-Chefs gelten branchenübergreifend als legendär. Auch heute haben Tausende Konferenzteilnehmer seit den frühen Morgenstunden vor dem Gebäude im Finanzviertel San Franciscos ausgeharrt, um dabei zu sein, wenn Jobs diese bis ins letzte Detail durch-choreographierte Verkaufsshow abliefert.

Ich sitze günstig, 20. Reihe im Presseblock direkt neben dem Gang, und habe einen guten Blick auf das, was auf und neben der Bühne geschieht. Eine Präsentation von Steve Jobs kann man sich in etwa vorstellen wie ein klassisches Drama oder eine Oper: Es beginnt ganz harmlos, mit der Einführung in das Thema: die Erfolge von Apple in der mobilen Kommunikation. Es folgen Vergleiche mit der Konkurrenz, die stets so gewählt sind, dass Apple besonders gut aussieht. Nach einigen eher unbedeutenden Software-Neuheiten kommt das große Finale: eine Überraschung, mit der (möglichst) keiner gerechnet hat.

The Show must go on!

Das Problem der Apple-Show heute: die Überraschung ist keine mehr. Schuld hat eine verkitschte deutsche Bierkneipe, rund 40 Kilometer südlich von San Francisco. Hier hatte ein Apple-Mitarbeiter vor einigen Wochen einen Prototyp des neuen iPhones liegen gelassen. Über Umwege gelangte das Gerät in die Hände eines Bloggers, der es in allen Einzelheiten via Internet weltweit präsentierte.

Steve Jobs ist sichtlich bemüht, diese Panne zu ignorieren. Doch so ganz will ihm das nicht gelingen. Als das Bild vom neuen iPhone hinter ihm auf der Leinwand erscheint, quittiert er den einsetzenden Applaus mit den Worten: „Stoppt mich, wenn Ihr das schon kennt!“ – Gelächter. Doch derlei Späße können nicht darüber hinweg täuschen: das Publikum hat mehr erwartet.

Entsprechend verhalten auch die Atmosphäre anschließend im Backstage-Bereich. Hier haben Journalisten und VIPs Gelegenheit, das Gerät selbst in die Hand zu nehmen und zu testen. Unter Aufsicht von Dutzenden von Apple-Mitarbeitern scharen sich die Besucher um die Präsentationstische.

So nah und doch so fern!

Wie aus dem Nichts erscheint plötzlich Steve Jobs. Er ist vertieft in ein Gespräch, sieht uns dabei zu, wie wir sein „Werk“ begutachten. Interviews gibt er keine, das haben uns die Apple-Mitarbeiter vorab immer wieder klar gemacht. Fragen zwecklos. Ein Raum voller Journalisten, aber keiner wagt es, den Mann, um den sich alles dreht, auch nur anzusprechen! So etwas erlebt man selten.

Kurz überlege ich mir, ob ich es nicht doch wagen sollte, taste nach meinem Mikrofon. Ein Blickwechsel mit dem Pressebetreuer. Der scheint meine Gedanken lesen zu können und er schüttelt unmerklich mit dem Kopf. Ich lasse das Mikrofon wieder sinken und füge mich. Wie die meisten anderen Reporter hier will ich es mir mit Apple nicht verscherzen. Der Preis für Nähe.


Mehr zum neuen iPhone auch in der Abendzeitung:

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28 Kommentare
  1. Dirk Küpper schreibt:

    Wenn Du so nah bei Steve stehst, kannst Du auch einfach mal gefeuert werden. Gerade wo so viel schief gegangen ist mit dem WLAN. Ist dann eine tickende Zeitbombe der Mann! Abstand halten wäre in dem Fall gesünder gewesen, wenn es ein Feature gibt was Steve hat dann heisst es in diesem Moment Unberechbarkeit. Ich spreche das aus Erfahrung von 2003 in Paris!

  2. Marc schreibt:

    Weiss nicht ob zustimme ueber Deinen Eindruck, dass das Publikum mehr erwarten wuerde. Die Vorstellung des iPhones war doch Spitzenklasse. Und warum sollte man noch viel mehr erwarten? Die Katze war doch schon vor Wochen aus dem Sack. Haette Apple in der kurzen Zeit noch an einer anderen Sensation arbeiten sollen? Das iPhone 4 ist doch Sensation genug. Auch die Tatsache, dass es schon am 24. Juni zu haben ist.

    • Richard Gutjahr schreibt:

      @Marc Naja, nach iPad und iPhone eine „Sensation“ wäre in der Tat zu viel verlangt. Dennoch hätte ich mir zumindest eine Überraschung erwartet. Mit dieser Meinung war ich hier übrigens nicht allein.

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