Alle Jahre wieder wird die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens neu erzählt. Ab heute neu im Blog: Das Weihn@chtsmärchen 2.0. In der Hauptrolle: der Medientycoon Robert Murlock, der das Internet hasst und Besuch bekommt von 3 Geistern. Jeden Adventssonntag eine neue Folge – auch. zum Download. für unterwegs als eBook.

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ornament2Strophe 1 – Gutenbergs Geist

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Gutenberg war tot. Damit wollen wir anfangen. Ein Zweifel darüber kann nicht stattfinden. Der Totenschein wurde von Sir Jarvis, Mac O’Reilly und Lord Lobo höchstpersönlich unterschrieben.

Robert Murlock wusste, dass Gutenberg tot war. Murlock und Gutenberg waren, ich weiß nicht seit wie vielen Jahren, Branchenpartner. Murlock war der letzte Erbe, das letzte Glied einer langen, bleiernen Kette und sein einziger Leidtragender.

Einmal, es war Christabend, saß der alte Murlock über seinen Bilanzen. Es hatte eben erst Drei geschlagen, war aber schon ganz finster. Die Thür von Murlocks Vorstandsbüro stand offen, damit er seinen Assistenten beaufsichtigen könne, welcher in einem unheimlich kleinen Raume, einer Art Burgverließ, vertrauliche Briefe und Unterlagen zerkleinerte. Er musste diese Tätigkeit mit einer Nagelschere verrichten. Murlock misstraute allen Maschinen!

picskyline2»Fröhliche Weihnachten, Chef!« rief eine heitere Stimme. Es war die Stimme des Praktikanten, der stets mit einem Papierbecher heißen Kaffees durch die Hallen schlürfte, und dem, so schien es, absonderliche weiße Schnüre aus den Ohren wuchsen.

»Haben Sie schon gelesen: General Motors vor der Insolvenz. Da steht’s. Im Internet!« Der Junge wedelte eifrig mit seinem Moleskine MacBook.

»Internet. Pah,« sagte Murlock, »dummes Zeug!«

»Das Internet dummes Zeug, Meister?« sagte der Praktikant, »das kann nicht Ihr Ernst sein.«

»Es ist mein Ernst, das Internet ist unnütz. Es wird uns noch alle ins Verderben stürzen. Die Sun, den Sky, unsere Fuchs Nachrichten!« schnaubte Murlock. »Was für ein Recht hast du, optimistisch zu sein?«

»Nun,« antwortete der Praktikant heiter, »was für ein Recht haben Sie, pessimistisch zu sein? was für einen Grund, mürrisch zu sein? Sie sind reich genug.«

Murlock, der im Augenblick keine bessere Antwort bereit hatte, sagte noch einmal »Internet!« und brummte ein »Dummes Zeug!« hinterher.

»Lieber entlasse ich alle Reporter, als mich diesem Unfug zu unterwerfen. Wenn der Journalismus sterben muß, ist es besser, er thue es gleich und vermindere die überflüssige Kosten.«

O, er war ein wahrer Blutsauger, dieser Murlock! ein gieriger, raffgieriger, festhaltender, geiziger alter Sünder; hart und scharf wie ein Kiesel, aus dem noch kein Stahl einen warmen Funken geschlagen hat; verschlossen und selbstbegnügt und für sich, wie eine Auster.

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Endlich kam die Feierabendstunde. Hoch oben, in seinem Penthouse in der 113. Etage, fühlte sich Murlock sicher vor dem Pöbel der Straße. Jenen Leuten, denen Murlock nichts weiter abgewinnen konnte, als deren sauer verdiente Pennies.

Wie er den Kopf in den Stuhl zurücklegte, fiel sein Auge wie von ungefähr auf sein altes Motorola Handy, ein schweres, nicht mehr gebrauchtes Relikt, welches er einst von seinem Geschäftspartner Gordon vermacht bekommen hatte, kurz bevor dieser, wie er sagte, »auf eine lange Reise« ginge.

Zu seinem großen Erstaunen und mit einem seltsamen unerklärlichen Schauer sah er, wie das schwarze Monstrum anfing sich zu bewegen; erst bewegte es sich so wenig, dass es kaum einen Ton von sich gab; aber bald schellte es laut und mit ihm jede Klingel des Hauses.

Das mochte eine halbe Minute oder eine Minute gedauert haben, aber es schien eine Stunde zu sein. Die Klingeln hörten gleichzeitig auf, wie sie gleichzeitig angefangen hatten.

Mit einem Male setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Das Brummen der Motoren stoppte und mit dem Schellen einer Glocke öffneten sich die Thüren zu Murlocks Privatgemach.

»’s ist dummes Zeug,« sagte Murlock. »Ich glaube nicht dran.«

Aber doch veränderte er die Farbe, als es, ohne zu verweilen, durch die schwere Thür und in das Zimmer kam. Als es herein trat, flackerte das bläuliche Licht des Fernsehers auf, als ob es riefe, ich kenne ihn, Gutenbergs Geist!

picghostNein, er glaubte es selbst jetzt noch nicht. Obgleich er das Gespenst durch und durch und vor sich stehen sah; obgleich er den kältenden Schauer seiner totenstarren Augen fühlte war er doch noch ungläubig und sträubte sich gegen das Zeugnis seiner Sinne.

»Wer seid Ihr?«

»Fragt mich, wer ich war.«

»Nun, wer waret Ihr?« sagte Murlock lauter.

»Als ich lebte, war ich Euer Vordenker Johannes Gensfleisch, in der Kommune besser bekannt unter meinem Twitternamen @Gutenberg.«

»Kommune? Twitter? Geister? …’s ist dummes Zeug,« sagte Murlock. »Ich glaube nicht dran.«

Bei diesen Worten zog das Gespenst seinen Setzkasten heraus und ließ die Blei-Lettern so grauenerregend und fürchterlich klirren, dass Murlock sich fest an seinen Stuhl halten mußte, um nicht in Ohnmacht herunterzufallen.

Murlock fiel auf die Knie nieder und schlug die Hände vors Gesicht.

»Gnade!« rief er. »Schreckliche Erscheinung, warum verfolgst du mich?«

»Höre mich,« rief der Geist. »Meine Zeit ist fast vorüber.«

Murlock schauderte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Heute Nacht komme ich zu dir, um dich zu warnen, dass noch für dich eine Möglichkeit vorhanden ist, deinem Schicksal zu entgehen.«

»Drei Geister,« fuhr das Gespenst fort, »werden zu dir kommen.« Bei diesen Worten wurde Murlocks Angesicht noch blasser als das des Gespenstes.

»Ohne ihr Kommen,« sagte der Geist, »kannst du nicht hoffen, den Pfad zu vermeiden, der Dir bevorsteht. Erwarte den ersten morgen früh, wenn in Fernost die Börsenglocke läutet.«

Die Erscheinung entfernte sich rückwärtsgehend in Richtung Fernseher. Murlock hörte verwirrte Klänge durch die Luft schwirren und unzusammenhängende Töne des Klagens und des Leides, unsagbar, schmerzensvoll und reuig. »American Idol.« seufzte das Gespenst. »Sendet Ihr diesen Dreck immer noch!« Das Wesen stimmte in das Klagelied ein; dann schwebte es mit ihnen gemeinsam in den Bildschirm, der einmal kurz aufblitzte und dann erlosch.

Murlock, von der Neugier bis zur Verzweiflung getrieben, begann damit, den Kasten zu untersuchen, ein Kurzschluss etwa? Er rieb sich die Augen. »’s ist dummes Zeug« wollte er sagen, besann sich dann aber doch anders, legte sich ins Bett und sank bald in Schlaf.

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Kapitel 2 erscheint am 2. Adventssonntag, 6. Dezember

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Zu Weihnachten dann die komplette Geschichte als eBook kostenlos zum Download – zusammen mit interessanten Querverweisen und Hintergrundinformationen, die mich beim Schmökern selbst zum Staunen gebracht haben.

Diese Adaption basiert auf einer klassischen. Übersetzung des Original-Textes und ist Teil des Gutenberg-Projektes

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1 Kommentare
  1. Tom Siegmund schreibt:

    Wo nimmst du bloss die Ideen her, toll. (und wo die Zeit..)
    Selbst Murlock haette sicher Spass an unserem @Christkindls Podcast Projekt http://christkindl.wordpress.com. Danke dir fürs mitmachen mitm Schwabinger Christkindlmarkt
    lg der @isartom

Willkommen!