Influencer-Marketing ist ein gigantisches Geschäft. Adresshändler wie Meltwater, Cision, selbst die dpa-Tochter news aktuell verkauft E-Mail-Adressen von Journalisten, Bloggern oder anderen Multiplikatoren. Dabei nehmen sie es mit dem Gesetz nicht immer allzu genau. Über die illegalen Methoden der PR-Dienstleister.
Die Macht der Influencer ist nicht zu unterschätzen
Darf ich vorstellen, ich bin wohl einer dieser „Influencer“. Influencer, nicht zu verwechseln mit Influenza, sind Journalisten, Blogger und Netz-Persönlichkeiten, die es auf YouTube, Facebook oder Instagram zu einer gewissen Reichweite gebracht haben und die deshalb interessant sind für Werbetreibende.
Influencer haben in ihrer Community eine hohe Glaubwürdigkeit, ihr Einfluss auf Kaufentscheidungen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Mir selbst wird das immer wieder bewusst, wenn ich einen neuen (vom eigenen Geld bezahlten) Kopfhörer oder eine neue Tasche trage. Sofort bekomme ich via Snapchat, Facebook oder Twitter Dutzende Anfragen, um welches Produkt es sich handelt oder wo ich es gekauft habe.
67 unerwünschte Pressemitteilungen an einem Tag
Im Grunde habe ich nichts gegen die PR-Branche. Im Gegenteil, mir gefällt es, mit welcher Lust man sich dort neuen Kommunikationswegen zuwendet. Zu vielen Firmen- und Behördenvertretern pflege ich ein entspanntes Verhältnis. Gleichwohl: was zuviel ist, ist zuviel. Und Ihr werdet mir Recht geben: 67 Pressemitteilungen am Tag ist zuviel.
Noch bevor ich morgens aufstehe, finde ich ein gutes Dutzend Pressemitteilungen in meinem E-Mail-Eingangskorb. Pressemitteilungen wie diese hier:
Anfangs habe ich mir nichts dabei gedacht, habe die Meldungen als Spam markiert und weggeklickt. Doch das Problem ging nicht weg. Im Gegenteil. Die Schlagzahl erhöhte sich von Monat zu Monat. Verirrten sich vor Jahren mal eine oder zwei solcher „Presseinformationen“ in meinem Eingangskorb, sind es heute im Schnitt 50 Mails am Tag.
Die eigene Mail-Adresse unbenutzbar
Oft sind die Texte mit meinem Namen personalisiert, so dass ich aufpassen muss, nicht aus Versehen eine wichtige Nachricht zu übersehen oder gar zu löschen. Besonders schlimm ist es, wenn ich mal einen oder zwei Tage meine Mails nicht checke. Dann stauen sich schon mal 200-300 Mails auf, die alle gesichtet werden müssen. In anderen Worten: Meine Mail-Adresse, auf die ich beruflich angewiesen bin und die ich auch auf Briefköpfen oder Visitenkarten angebe, ist unbenutzbar geworden.
Wer steckt hinter dem unerwünschten PR-Müll?
Um die Hoheit über mein E-Mail-Postfach zurückzugewinnen, habe ich begonnen, die Absender einzeln anzuschreiben. Dazu habe ich eine Excel-Tabelle angelegt, um nicht den Überblick zu verlieren. Ich wollte wissen, wie ich in so kurzer Zeit in so vielen Mailing-Listen landen konnte und woher Hunderte von Firmen, Verbänden und Organisationen plötzlich meine persönliche E-Mail-Adresse hatten.
Wie sich herausstellte, ließ sich der überwiegende Teil aller unerwünschten Mails, die ich in diesem Jahr bekommen habe, auf drei große Datenhändler zurückführen:
„Was diese Firmen machen ist illegal, illegal, illegal.“
Meltwater, Cision (Gorkana), news aktuell (Zimpel)
Alle drei Adresshändler rühmen sich für ihre guten Kontakte zu Zig-Tausenden von „Top-Influencern“. Ein Auszug aus der Eigenwerbung:
Mithilfe einer Mediendatenbank wie der von Cision, lassen sich die richtigen Ansprechpartner sogar noch schneller finden. (…) Hier können Sie anhand intelligenter Filter aus über 1,6 Millionen Einträgen weltweit gezielt Ihre Verteiler mit den wichtigen Journalisten zusammenstellen. (…) Durch das Cision Influencer-Ranking erfahren Sie darüber hinaus, welche Journalisten bei bestimmten Themen besonders einflussreich sind. Dank der umfangreichen und stets aktuell gehaltenen Kontaktdaten in der Mediendatenbank können Sie mit den relevanten Influencern in Ihrer Branche auch persönlich in Kontakt treten, um Beziehungen aufzubauen oder diese zu vertiefen.
Fragwürdiges Geschäftsmodell
Woher die gesammelten Daten stammen? – Unbekannt. Wissen die Betroffenen davon, dass sie in einer PR-Datenbank gelistet sind? – Vermutlich nicht. Haben die Betroffenen ihr Einverständnis gegeben, dass ihre E-Mail-Adresse als Ware verkauft wird? – Egal.
Klaus Eck, PR-Berater und Gründer der Content-Marketing-Agentur d.Tales kennt das Problem. Auch er erhält täglich ein gutes Dutzend unerwünschte Pressemitteilungen. „Grundsätzlich würde ich das Prinzip der Pressemitteilung in Frage stellen“, sagt Eck. Es gebe heute weitaus bessere Möglichkeiten, mit Influencern in Kontakt zu treten, zum Beispiel indem man auf Veranstaltungen das persönliche Gespräch mit ihnen sucht, Nähe herstellt.
„Ich glaube nicht, dass man vom Adressenkauf profitiert, schon gar nicht wenn die Adressen illegal erhoben worden sind. Früher oder später fliegt das auf. Am Ende beschädigen die Absender ihre eigene Reputation.“
Perfide Praxis ohne Haftung
Das perfide an diesem Geschäftsmodell, so Klaus Eck: „Einerseits verkaufen die Adresshändler zu Hunderttausenden persönliche E-Mail-Adressen von Bloggern und Influencern. Gleichzeitig warnen sie aber auf ihren Best-Practice-Seiten davor, die Adressen allzu großzügig zu benutzen.“
Mehr noch: In ihren AGB schließen die Firmen sogar etwaige Rechtsansprüche aus, falls es zu Klagen von Betroffenen kommt. Wissen die Adressbroker, dass sie ihre Kunden mit offenbar fragwürdig erhobenen Kontaktdaten ins offene Messer laufen lassen?
Schlamperei, Lügen, Willkür
Ich habe den Test gemacht und habe die drei größten Adresshändler, die mit meinen Daten Geld verdienen, angeschrieben. Was ich als Antwort bekam, hätte ich nicht für möglich gehalten:
Ein Milliardengeschäft mit geklauten Adressen?
Der Zugriff auf eine Influencer-Datenbank beträgt im Basispaket jährlich zwischen 4000 € (news aktuell) und 7000 € (Cision oder Meltwater). Allein die Firma Cision schmückt sich auf der eigenen Webseite mit 100.000 Kunden weltweit. Ein Milliardengeschäft.
Wie hart umkämpft der Markt ist, wird auch an den Bewegungen in der Branche deutlich. Dort gilt seit geraumer Zeit das Motto Fressen und gefressen werden.
Erst letztes Jahr hat der PR-Riese Cision seinen langjährigen Rivalen PR Newswire übernommen. Zuvor waren die Kontrahenten Gorkana und Vocus für mehrere Hundert Millionen US-Dollar einverleibt worden. Ähnliche Übernahmen gab es in den vergangenen Jahren bei Meltwater bzw. der dpa-Tochter news aktuell (Zimpel Media-Daten GmbH).
„Sowohl der Adressverkäufer, als auch diejenigen, die solche Adressen ohne klare Einwilligung der Betroffenen kaufen, können juristisch zur Verantwortung gezogen werden.“
Human Error oder System?
Angesichts dieses Verdrängungswettbewerbs und den Summen, die im Hintergrund fließen, fällt es schwer zu glauben, dass es sich bei mir um einen tragischen Einzelfall („isolated incident“ – Zitat: Meltwater) handelt. Zumal sich dieser Einzelfall bei drei unterschiedlichen Häusern ereignet hat. Dazu Gordon Harris, Senior Commercial Counsel bei Meltwater:
„We employ individuals to collect and collate the data that we use for our press lists rather than using machines and as such human error can occur as with your personal example.“
Auch bei der Auskunft kam es bei allen drei Unternehmen zu bedauerlichen human errors:
Schweigen ist keine Einwilligung
Besonders dreist die Methode der Firma Cision/Gorkana: Hier wird von den Betroffenen eine fragwürdige Einwilligung erschlichen, in Form einer Werbemail über die Vorzüge der Datenbank. Im letzten Absatz dann versteckt der Hinweis, dass wenn man nicht binnen von 6 Wochen aktiv widerspricht, dadurch sein Einverständnis zur Verwendung seiner Daten erteile. Rechtsanwalt und Law-Blogger Udo Vetter sagt: „Unzulässig! Schweigen ist keine Einwilligung.“
In Anbetracht solch übler Tricks, den unzähligen Ausflüchten, Vertröstungen und faustdicken Lügen, die man mir im Zuge meiner Nachforschungen auftischte, liegt die Frage auf der Hand:
Solltet Ihr von unerwünschten PR-Spam betroffen sein – macht den Test: Einfach diesen Musterbrief [.doc] des Datenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg ausfüllen und an die Datenhändler schicken. Verlangt auch unbedingt einen Nachweis einer Einwilligung zur Nutzung Eurer Daten! Alle in Deutschland tätigen Unternehmen sind zur kostenfreien Beantwortung dieser Fragen gesetzlich verpflichtet.
Schreib mal wieder!
Zum Start habe ich Euch die Kontaktdaten der drei oben genannten Adresshändler schon einmal herausgesucht. Als besonderen Service dazu auch die persönlichen E-Mail-Adressen der verantwortlichen Geschäftsführer. Die wollte ich ursprünglich an dieser Stelle veröffentlichen – war mir dann aber doch zu kindisch. Wer sie braucht, melde sich doch bitte bei mir privat oder unten im Kommentarteil. Euer Feedback würde mich interessieren.
Cision / Gorkana
info.de@cision.com (Datenschutzanfragen allgemein)
Meltwater
privacy@meltwater.com (Datenschutzanfragen allgemein)
news aktuell / Zimpel
Walter@newsaktuell.de (Vera Walter, Datenschutz-Beauftragte)
Vielen Dank für diese klasse Recherche.
Das Problem kenne ich gut.
Bei Zimpel bin ich allerdings gelistet, noch aus der Zeit, als es den Zimpel als Büchlein gab.
Gorkana habe ich versucht zu ignorieren, die verschicken aber regelmäßig. Wenn unsubscribe nicht hilft, versuche ich die Absender zu blocken.
Das Problem bei Gorkana ist das Opt-Out. Wenn man nicht aufpasst, ist man gelistet. Und die verdienen sich am wachsenden Spam in Deiner In-Box dumm und dämlich.
ich würde mich auch über die Zusendung der E-Mail-Adressen freuen
Ich bin zwar von der „anderen Seite“ – versende also PR-Informationen an Journalisten, Blogger und Influencer. Aber ein solches Vorgehen schadet auch uns. Wer in einer kleinen PR-Abteilung nicht die Personalstärke und das Geld hat persönliche Kontakte aufzubauen, ist darauf angewiesen saubere Datenbanken zu nutzen.
Ich würde mich daher über die Zusendung der E-Mail-Adressen freuen.
Gruß
Dirk Kropp
Bekommst Du. Ich sammle alle Anfragen und maile Euch dann in den nächsten Tagen. Geht schneller. Danke für das Interesse an dem Thema.