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Der Rechtsstaat außer Kontrolle

Der Historiker Josef Foschepoth zu Gast im Münchner Amerika Haus. Schon lange vor Edward Snowden hatte der Freiburger Professor in seinem Buch „Überwachtes Deutschland“ detailliert beschrieben, wie die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg durch die USA (im Schulterschluss mit der jew. Bundesregierung) kategorisch ausspioniert wurde. So habe die Bundesrepublik jahrzehntelang die Briefpost ihrer Bürger geöffnet, Telefonate abgehört und jüngst das Internet angezapft.

Der „Sündenfall“ sei eine Änderung des Artikels 10 GG im Jahr 1968 gewesen, was dazu führte, dass die Judikative komplett ausgehebelt wurde. Bis heute könnten die Geheimdienste, deutsche wie amerikanische, schalten und walten wie sie wollen, so Foschepoth. Eine Kontrolle finde de facto nicht statt. Der Historiker, der Einblick in die Geheimarchive der Bundesrepublik hatte, spricht von einem Staat im Staate, der immer weiter wuchere.

 

 

G!: Die NSA-Affäre ist nicht erst letztes Jahr auf uns zugekommen, sie reicht viel, viel weiter. Inwiefern?

Foschepoth: Ja, die NSA-Affäre, so wie ich sie sehe aufgrund meiner Forschungen, ist der bisherige Höhepunkt einer langjährigen Entwicklung. Und diese Entwicklung geht zurück bis in die Anfänge der Bundesrepublik oder auch noch bis zum Ende des Krieges. Daher kommt die These, dass ich sage, seit 70 Jahren haben wir bereits ein System der Überwachung in Deutschland, das bis in die heutigen Tage weiter entwickelt worden ist. Und insofern ist die NSA-Affäre der bisherige Höhepunkt. Wir werden sicherlich noch andere und weitere erleben.

G!: Die Bundesregierung, die aktuelle, aber auch alle Vorgängerregierungen seit dem zweiten Weltkrieg wussten Bescheid, dass Deutschland im Grunde genommen komplett überwacht wird. Warum schweigen die alle?

Foschepoth: Nun, das lag natürlich zum Teil darin begründet, dass alle Bundesregierungen an der Seite Amerikas wachsen wollten. Das heißt, mit Amerika groß werden, mit Amerika sich schützen gegenüber dem großen Feind, der Sowjetunion, vor dem Kommunismus. Das heißt, nur in Amerika – so war es die Doktrin aller Regierungen – konnte man wieder Staat machen. Und das bedeutete, dass man den Amerikanern natürlich überall dort wo sie etwas von uns wollten, dieses auch bereitwillig gab. Das ist das Ergebnis meiner ganzen Forschungen, dass sich die Amerikaner auch da, wo die Deutschen nicht so bereitwillig waren etwas zu übergeben, sich dieses aber schon geholt haben. Also es ist hier eine, wie ich es ja bezeichne, „asymmetrische Freundschaft“ entstanden. Von einem großen starken Amerika auf der einen Seite, von einem schwachen Deutschland, das sich dann im Windschatten von Amerika zu einem großen, größeren Deutschland wieder entwickelt hat. Und so ist eine enge Verbindung, vor allem eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Amerika und der Bundesrepublik Deutschland entstanden, an der niemand in der Bundesrepublik rütteln will.

 

 

G!: Nun kann man sagen, der Mauerfall war eine Gelegenheit, Deutschland wieder zu vereinigen und da schluckt man so eine Kröte. Warum aber kann man nicht heute, 25 Jahre später, dem Volk reinen Wein einschenken und sagen, was es da für Geheimverträge im Hintergrund eigentlich gibt?

Foschepoth: Gut, dazu muss man das erst mal wissen. Und wenn man es weiß, muss man bereit sein, dieses auch in die Tat umzusetzen. Und man muss drittens vor allem wollen oder den Verdacht haben, sage ich mal, dass es dadurch besser wird. Und diese Einstellung vermag ich im Moment bei der Bundesregierung noch gar nicht festzustellen. Das heißt, es ist im Moment nicht das Problem das Problem zu lösen, sondern wie kriege ich das Problem vom Tisch? Und danach soll es bitte schön genauso weitergehen wie bisher. Das ist im Moment ganz klar die Devise, auch der Bundesregierung in Sachen NSA.

G!: Das heißt, die Regierung traut dem eigenen Volk nicht?

Foschepoth: Das kann man so sagen. Das heißt also, die Grundrechte sind auch relativ im Vergleich zur eigentlichen – ich sage ja gerne Staatsraison Deutschlands, der Sicherung der guten Beziehung zu den Vereinigten Staaten.

G!: Sie haben in dem Vortrag gesagt, der Rechtsstaat ist in Ihren Augen in Gefahr. Weswegen?

Foschepoth: Nun, wenn man in die Geschichte schaut, wie dieses Grundrecht auf Unversehrtheit des Post- und Fernmeldegeheimnisses Schritt für Schritt, sagen wir mal zerstört worden ist, denn wir haben heute kein wirkliches Grundrecht in dem Sinne mehr. Dann sieht man, dass dies dadurch geschehen ist, indem man einen unrechtmäßigen Zustand gesetzlich legalisiert hat. Und das oft in einer Zeit, in der eine große Koalition die parlamentarische Mehrheit dazu hatte. So hat man zum Beispiel den Rechtsweg ausgeschlossen, dass jemand, der überwacht worden ist, die ordentliche Gerichtsbarkeit anrufen kann. Ein grundlegendes Recht eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates! Und das steht auch so im Grundgesetz drin. Aber in der Regelung des G10-Gesetzes ist genau dieser Passus aufgehoben worden. Das heißt, im G10-Gesetz steht heute drin, dass der Betroffene nicht informiert werden muss und zweitens, dass der Betroffene kein Recht hat, auf dem Rechtswege hier ein Fehlverhalten des Staates einzuklagen. Mit anderen Worten, die Gewaltenteilung ist aufgehoben und damit eine erhebliche Einschränkung des Rechtsstaates, im Bereich der Zerstörung des Grundrechtes auf Post- und Fernmeldegeheimnis erreicht.

 

grundgesetz

 

G!: Eine wirksame Kontrolle der Kontrolleure und der Geheimdienste findet nicht statt?

Foschepoth: Die findet faktisch nicht statt. Einmal wie gesagt, weil die Judikative, also die Gerichtsbarkeit ausgeschaltet ist. Wir haben ja drei Gewalten, die sich eigentlich immer wechselseitig auch kontrollieren sollen. Die eine Gewalt ist völlig beseitigt und zwar auf legalem Wege. Das zweite ist, dass die parlamentarische Kontrollfunktion auf ein Gremium von drei oder fünf Leuten – je nachdem welche Phase ich da betrachte – reduziert worden ist. Dann gibt es jetzt noch zusätzlich eine parlamentarische Kontrollkommission von zehn Personen, die sollen einen so gigantischen nachrichtendienstlichen Apparat, der ja nicht nur national, sondern auch international tätig ist, kontrollieren. Das geht einfach gar nicht. Und die Exekutive, die hat eigentlich nur ein Interesse daran, dass alles ruhig vonstatten geht und sie sich möglichst wenig darum kümmern muss. Eine Kontrolle findet auch gar nicht gerne statt, wie wir ja festgestellt haben in der NSA-Affäre. Zu oft haben ja die Minister alle gesagt, sie hätten keine Ahnung davon oder das wüssten sie nicht; auch die Bundeskanzlerin musste sich da erst schlau machen. Das ist politisch ja auch die einzige Möglichkeit zu überleben, wenn man sagt: Ich habe davon nichts gewusst. Dann kann man praktisch der Person keinen Vorwurf machen. Nur den einen, dass er die Kontrolle nicht wahrgenommen hat. Und das ist auch eine Beschädigung des Rechtsstaats.

G!: Sie hatten Einblick in das geheime Bundesarchiv. Haben Sie den Eindruck nach dem Studium der Akten, da hat sich so eine Art Staat im Staate gebildet?

Foschepoth: Ja, das kann man so sagen. Vor allem, weil auf der einen Seite ja die deutschen Geheimdienste so wie kleine Kinder an der Hand der alliierten Geheimdienste groß gezogen worden sind. Die sind dann auch mehr oder weniger zu Partnern gemacht worden, wenngleich sie gleichzeitig natürlich auch von denen überwacht werden. Das gehört einfach dazu. So dass es also ja nicht mehr nur um BND und Verfassungsschutz geht, sondern es geht hier um BND und NSA. Es geht um CIA und Verfassungsschutz oder NSA und Verfassungsschutz. Und darüber hinaus gibt es eben noch viele andere Kooperationen, die wir ja weltweit anstreben. Das kann überhaupt keiner mehr überblicken und kontrollieren schon gar nicht.

G!: Es gibt viel Kritik an Google und Facebook in den deutschen Medien. Wer ist schlimmer, Staat oder private Unternehmen?

Foschepoth: Also wir sehen ja ganz deutlich einen sehr negativen Trend, einer Versäulung unserer Gesellschaft, die auf der einen Seite sich zu einem starken Staat entwickelt und auf der anderen Seite zu einer starken Wirtschaft. Der Staat rettet Banken und die Bürger müssen dafür bluten oder die Löhne werden runter getrieben, aufgrund dieser ganzen Entwicklung. Die Wirtschaft braucht einen starken Staat und der Staat braucht eine starke Wirtschaft. Und das sind die tragenden Säulen der modernen Gesellschaft. Und diese beiden Säulen bedienen sich ja interessanterweise auch des Mittels der Überwachung und öffnen wechselseitig die Schleusen. Das heißt, sie haben keine Probleme die privaten Firmen, unsere Daten die sie ja im kommunikativen Verkehr über die verschiedenen Netze sammeln, an den Staat weiterzugeben. Umgekehrt erwartet der Staat von der Wirtschaft, genau das zu tun. Und die Wirtschaft entwickelt ganz entscheidend auch die geheimdienstlichen Überwachungssysteme im Auftrag des Staates weiter. Also hier gibt es schon eine sehr starke Interessengemeinschaft zwischen den beiden. Auf der Strecke bleibt die Bürgergesellschaft.

 

Na und? – Kann man nichts machen – Wussten wir schon immer –  Eure Meinung?

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21 Kommentare
  1. VolkerK schreibt:

    Ich schrieb schon im Sommer, dass wie Geheimdienste nicht kontrollieren können und daher ihre Abschaffung die enizige Lösung ist – was jedoch einen Paradigmenwechsel der Politik erfordert.
    Derzeit wäre nur Christian Ströbele als Bundeskanzler bereit, das durchzuziehen ;-)
    http://www.volkerkoenig.de/2014/06/05/das-nsa-dilemma-der-regierung/

    • Eberhard schreibt:

      Wenn Christian Ströbele Bundeskanzler wird, wandere ich definitiv aus. Zum Glück sind wir Deutsche zwar dumm genug, eine Frau Merkel zu wählen, aber ganz so doof dann auch wieder nicht.

  2. andreas schreibt:

    Als ordentlichem Bürger fällt mir da als erstes ein, die Regierung verklagen zu wollen, um wieder rechtstaatliche Verhältnisse zu erlangen.
    Wie es aussieht, ist dieser Weg versperrt.
    Da ich davon ausgehen muß, das meine Aktivitäten letztlich lückenlos nachvollzogen werden können, ist ein „illegaler“ bzw. radikaler Weg ebenfalls versperrt.
    Was bliebe, wäre, die große Masse oder die Politik dahingehend zu beeinflussen, dass wieder rechtstaatliche Verhältnisse hergestellt werden.
    Allerdings muß man auch hier wohl davon ausgehen, daß Regierung und Dienste die weitaus besseren Hebel zur Beeinflussung in der Hand halten.

    Ein Fiasko. Und ich bin kein linker oder rechter Spinner, sondern stehe in der Mitte der Gesellschaft, Ingenieur, Besserverdiener, 3 Kinder, Eigenheim und 50.000€ Steuerabgaben jährlich, und seit kurzem Feind unserer Regierung bzw. des tatsächlich herrschenden Systems.

    • Richard schreibt:

      Danke für das Feedback. Das ist in der Tat das Dilemma, in dem wir alle stecken. Keiner kennt die Wahrheit. Ergo kann auch keine gesellschaftliche Diskussion stattfinden, ob diese Überwachungs-Maßnahmen wirklich notwendig (und in unserem Sinne) sind. Könnte ja sein, dass die Terror-Bedrohung tatsächlich so groß ist, wie behauptet wird – allein mir kommen immer mehr Zweifel…

      • Andreas schreibt:

        Terror-Bedrohung? Sie hören Merkels Handy und europäische Industriekonzerne ab und gehen mit Antiterrorgesetzen gegen Journalisten vor, Terrorismus ist da offensichtlich nur willkommener Vorwand.
        Mir sind gelegentliche Terroranschläge lieber als in einem Unrechtsstaat zusammen mit Presse und Regierungsorganen überwacht zu werden. Wer sind wir denn?

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