Angela Merkel reist heute nach Washington, auf Einladung des Weißen Hauses. Eine Geste an uns Deutsche, nachdem die Sache mit dem abgehörten Kanzler-Handy rauskam. Die NSA bleibt aber nur eine Randnotiz auf dem Themenzettel, den das Kanzleramt seiner Chefin mitgegeben hat. Man scheut den Konflikt. So hat man im Vorfeld dieser Reise erklärt, dass NSA-Whistleblower Edward Snowden nicht nach Deutschland einreisen darf. Auch das vollmundig angekündigte No-Spy-Abkommen wurde kurz vor dem Besuch vorsorglich beerdigt. Es gibt Wichtigeres. Das Freihandelsabkommen zum Beispiel und natürlich die Ukraine.
Es ist beängstigend still geworden um den größten Abhörskandal in der Geschichte der Menschheit. Der andauernde Grundrechtsverstoß gegen Aber-Milllionen von Menschen wird von Volk, Regierung und Medien stillschweigend hingenommen. Wir wettern gegen Putin und beschwören einen neuen Kalten Krieg. Dass es aber die eigenen westlichen Geheimdienste sind, die unsere Web-Kameras fernsteuern, heimlich Bilder von uns machen, systematisch unsere E-Mails und Handy-Koordinaten speichern, die jeden unserer Schritte dokumentieren, das nehmen wir stillschweigend in Kauf.
Nicht falsch verstehen, als Vorstandsmitglied im Amerika Haus München Verein bin ich natürlich bin ich kein Putin-Freund. Es predigt sich nur immer leicht, wenn man mit dem Finger auf Andere zeigen kann. Unser oberster Staatsmann zum Beispiel, Bundespräsident Gauck: In der Türkei mahnt er Menschenrechte und Pressefreiheit an, warnt vor der ausufernden Macht der Geheimdienste. In Deutschland aber schweigt er, bezeichnete Edward Snowden präsidial verschwurbelt irgendwie auch als Verräter (siehe Interview-Abschrift).
Mit Sorge beobachten wir die Truppenbewegungen der Russen entlang der ukrainischen Grenze. Welche digitalen Waffensysteme Regierungen gegen die eigene Bevölkerung in Stellung bringen, bleibt uns verborgen. Smartphones und das Internet sind ein Segen, sie sind aber auch perfide Instrumente der Überwachung. Wer unsere Daten kontrolliert, kontrolliert die Menschen.
Wir müssen unseren Abgeordneten und Parteien klarmachen, dass wir es ernst meinen mit dem Schutz der Privatsphäre und dass wir niemanden wählen werden, der sich nicht aktiv und gewissenhaft dafür einsetzt!
Wie Tilo Jung in seiner ersten Folge von Jung & Naiv goes Europe zeigt, ist uns die Demokratie nicht in den Schoß gefallen. Es war ein weiter Weg von der Akropolis bis ins Nachkriegsdeutschland. Es ist an uns, allen voran unserer Regierung, diese Demokratie Tag für Tag aufs Neue zu verteidigen. Darauf haben Merkel, ihr Kabinett und jeder Abgeordnete einen Eid geleistet. Sonst ist es irgendwann tatsächlich egal, ob wir Putins Geburtsatgsparty besuchen oder Obama im Weißen Haus.
Auch zu diesem Thema:
Teil 1: Besuch des NSA Data Centers in Utah
Teil 2: NSA-Mitarbeiter Binney: „Microsoft & Co hängen alle mit drin“
Teil 3: Holger Stark: „Der NSA Komplex“
Teil 4: Lavabit-Gründer: Let’s go dark!
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