Keine 3 Monate ist es her, dass ich Dieter Hildebrandt zum ersten und – wie ich heute weiß – zum letzten Mal begegnet bin. Obwohl ich ihn nicht kannte, habe ich das Gefühl, mit seinem Tod einen Teil meiner eigenen Geschichte verloren zu haben.

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Nein, keine Trauerrede, kein Nachruf, keine Hommage. Das können Andere besser – außerdem kannte ich Dieter Hildebrandt nicht wirklich – ach was, ich kannte ihn überhaupt nicht. Natürlich, da waren die vielen Abende, an denen bei uns zuhause im Fernsehen der Scheibenwischer lief. Als Kind interessierte ich mich Null für Nachrichten oder Politik. Das politische Kabarett habe ich bewusst nur noch in seinen allerletzten Zügen erlebt, bevor die Mario Barths dieser Welt die Bühnen und Hallen der Republik übernahmen und dem intelligenten Humor im Fernsehen das letzte bisschen Sauerstoff entzogen.

Auch wenn ich als kleiner Steppke gewiss nicht Teil seiner Kern-Zielgruppe war, gehörte Dieter Hildebrandt doch immer irgendwie mit zur Familie. Später, viel später, als dann auch ich irgendwann mal in die Pubertät kam, schleppte ich das ein oder andere „Date“ abends in die Lach & Schiess-Gesellschaft, wohl auch, um meiner Begleitung dadurch zu beweisen, was für einen irren intellektuellen Tiefgang ich doch besitze. Man kann ja einen Abend einfach mal so mitlachen, auch ohne gleich jede einzelne Pointe oder politische Anspielung auf der Bühne verstanden haben zu müssen.

In den darauffolgenden Jahren wurde es dann etwas still um Dieter Hildebrandt. Ich selbst war in dieser Zeit derart mit mir und meinem Job beschäftigt, dass ich gar nicht mitbekam, dass Hildebrandt dem Fernsehen den Rücken kehrte. Es folgten die Jahre der New Economy, des Börsencrashs, der Bankenpleite, der Euro-Krise. Wir hatten Spiegel Online, Google und das iPhone. Aber jemand, der uns und der Welt den Spiegel vorhalten konnte wie ein Dieter Hildebrandt, so jemanden hatten wir nicht.

Dieter Hildebrandt über Fernsehen, das Internet und seine Pläne auf YouTube (Interview vom 1. April 2013)

Als ich erfuhr, dass Hildebrandt wieder auf Tour geht, habe ich alles dafür getan, um an eine Karte zu kommen. In einem Blogpost vom September 2010 beschreibe ich einen jener Tage, an dem ich mich in die Schlange vor dem Ticketbüro in der Occamstraße einreihte. Jedes mal kurz bevor ich dran kam, waren die Karten weg. Schließlich gelang es mir dann doch noch, an zwei Tickets zu kommen. Ich erinnere mich noch an die Worte, gerichtet an meine Tochter, die ich mit in die Vorstellung nahm: „Diesen Mann musst Du noch einmal gesehen haben. Künstler wie Dieter Hildebrandt gibt es nicht mehr viele.“

Flash forward ins Jahr 2013. Das Schicksal meinte es gut mit mir. Anfang des Jahres lernte ich Stefan Hanitzsch kennen, Freund der Hildebrandts und Visionär, der gerade an einem Web-TV-Programm mit Hildebrandt arbeitete. Ein Format, das sich bewusst vom Mainstream-Quoten-Fernsehen abheben wollte. Im Frühjahr war es so weit: Der Störsender war geboren (siehe Blogpost vom März 2013). Dass sich ausgerechnet ein 85jähriger Mann anschickt, das Internet zu erobern (Und ja! Von den Abrufzahlen seiner YouTube-Filme können manch öffentlich-rechtliche TV-Sender nur träumen!); eine schallende Ohrfeige für alle aktiven Programm-Macher, die sich bei Facebook anmelden und damit meinen, jetzt bi-, tri- und crossmedial ganz vorne mit dabei zu sein.

Keine 3 Monate ist es her, da bin ich Dieter Hildebrandt zum ersten und auch zum letzten mal persönlich begegnet. Die Aufzeichnung einer Talkshow für den Störsender. Es war Sonntag, der Tag vor einer großen ARD-Wahlsendung in Berlin, für die ich an der Seite von Ingo Zamperoni und Katrin Bauerfeind zum ersten mal im Hauptabendprogramm im Ersten vor der Kamera stehen sollte. Die Tatsache, dass ich damals während der heißen Proben für 4 Stunden nach München flog, um Gast bei einer Internet-Talkshow mit Dieter Hildebrandt zu sein, stieß im ARD-Kollegenkreis nicht nur auf Verständnis.

Zu Gast bei einem seiner letzten Auftritte – Dieter Hildebrandt im Störtalk (Aufzeichnung vom 26. August 2013)

Heute bin ich froh, dass ich meinem Bauchgefühl gefolgt bin und die Gelegenheit beim Schopf gepackt habe, diesen großartigen Mann noch einmal persönlich begegnen zu können. Die Gelegenheit, mich bei ihm zu bedanken, für die Einladung in seine Talkshow, insgeheim damit aber auch Danke zu sagen für so vieles mehr. Die Meldungen der letzten Tage über seine Erkrankung überraschten mich nicht. Ich wusste, dass er krank war. Als dann aber heute Vormittag die SMS kam, musste ich mich dann doch setzen. Obwohl ich Hildebrandt ja gar nicht kannte, überkam mich eine tiefe Traurigkeit. Das Gefühl, einen Teil meiner eigenen Biographie, einen Wegbegleiter, vielleicht auch eine Art Vorbild verloren zu haben.

Dieter Hildebrandt wird mir fehlen. Die Welt ist heute ein Stück kälter geworden.

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4 Kommentare
  1. […] Danke Dieter Hildebrandt | G! gutjahrs blog. […]

  2. Wolf schreibt:

    Danke für den Link.
    Ab ca. Minute 30 wird es, durchgehend bis zum Schluss richtig spannend.
    Wir können dankbar sein, dass dieser kluge, sensible und mutige Mensch unter uns war und habe angesichts dieser hochkarätigen Geprächsrunde keine Sorge, dass ihr im Sinne Dieter Hildebrandts die Arbeit fortsetzt.
    Lasst uns wachsam bleiben und weitergeben, was er uns allen geschenkt hat.

Willkommen!