Was Netzgemeinde und Piraten nicht gelungen ist, hat die Deutsche Telekom mit einer einzigen Tarifumstellung geschafft. Dank Drosselkom ist das sperrige Thema „Netzneutralität“ endlich da, wo es hingehört: in der breiten Öffentlichkeit. UPDATE: Quorum erreicht (s.u.)
Zeit der Unschuld
In 20 Jahren werden wir zurück blicken auf unser heutiges Internet und von den „guten Jahren“ sprechen. Jene Zeit der Unschuld, in der das Netz niemandem gehörte und in der jeder, ob Hartz-4-Empfänger oder Multimillionär, gleichberechtigt E-Mails, Fotos oder Videos auf die Reise schicken konnte.
Damit dürfte es bald vorbei sein, denn marktbeherrschende Konzerne sind dabei, das weltumspannende Netz in seine Bestandteile zu zerlegen und separat zu vermarkten. Allen voran die Deutsche Telekom, die angekündigt hat, ein Zwei-Klassen-Netz einführen zu wollen. Bei der Telekom nennt man das natürlich anders, nämlich das bezeichnenderweise „Netz der Zukunft„.
Auf ihrer Kampagnen-Webseite erklärt die Telekom, was man mit 75 GB in einem Monat alles machen kann – beispielsweise max. 400 Fotos laden – im Verlauf eines Monats.
Das volle Programm
Hintergrund ist ein neues Tarifsystem, wonach die Telekom jenen Kunden die Übertragungsgeschwindigkeit bis zum Netz-Infarkt (Simulation) runterdrosseln will, die zu viele Daten verbrauchen. Aktuell seien davon nur 3 Prozent der Nutzer betroffen, so die Telekom. Der Rosa Riese weiß aber auch: In nur wenigen Jahren wird ein großer Teil der deutschen Haushalte unter diese Zwangs-Rationierung fallen (Stichwort: Cloud).
Beim Kampf um die Netzneutralität geht es um weit mehr als nur um Geld. Es geht um die Frage, ob ein Großkonzern in Zukunft darüber richten darf, welche Services im Web Vorfahrt haben und wer von der drohenden Datenkralle bedroht ist. Genau das tut die Telekom heute schon, in dem sie ihren eigenen Web-TV-Dienst T-Entertain von einer Drosselung explizit ausnimmt.
Revolte im Netz + UPDATE +
Der Aufruhr im Netz ist groß und nicht nur dort. Eine ePetition beim Deutschen Bundestag erreichte nach nur 3 Tagen die erforderlichen 50.000 Stimmen (was laut Auskunft des Dt. Bundestages bislang nur der ePetition 3860 zu den Netzsperren gelungen war). Von der Kanzlerin bis hin zum Wirtschaftsminister, der dieser Tage bei Freunden im Silicon Valley weilt, haben sich zahlreiche Polit-Größen in die Diskussion eingeschaltet.
Außer Kontrolle
Weil die Proteste außer Kontrolle zu geraten drohen, hat die Telekom sogar damit begonnen, Anzeigen bei Google zu schalten, die in den gesponserten Suchergebnissen auftauchen, wenn man das auf die Firma gemünzte Schmähwort „Drosselkom“ eintippt. Weia.
Was weder Netzgemeinde noch Piraten über all die Jahre gelungen ist, hat die Telekom mit einer einzigen Tarifumstellung geschafft. Aufgrund von Drosselkom ist das sperrige Thema „Netzneutralität“ endlich da wo es hingehört: in der breiten Öffentlichkeit. Ich sage: Danke, Deutsche Telekom!
Wenn Ihr die Bundestags-Petition 41906 über eine Verpflichtung der Internetanbieter zur Netzneutralität unterzeichnen wollt, könnt Ihr das online tun unter diesem Link.
Hörtipp: Drosselkom-Mix „Funktional kaputt!“ von Tim Pritlove / Mobilemacs (das Intro – erste 2 Minuten)
[…] Danke, Drosselkomm […]
[…] Wie das Netz reagiert, wie man sich gegen die Pläne engagieren kann und was das überhaupt ist, eine Netzdrossel, hat Richard aufgeschrieben. Zur Empfehlung […]