Eine Viertel Million Deutsche lassen ihre Häuser pixeln. Geht es hier noch um Datenschutz oder sind wir Deutsche einfach nur technikfeindlich?
Wisst Ihr was ich nicht verstehe? Uns Deutsche. Wir lieben es, uns gut sichtbar im Café zu postieren, das bunte Treiben auf der Straße zu beobachten. Wenn dann aber das Google-Auto vorbeifährt, schmeißen wir mit Eiern. Wir bevölkern die FKK-Strände von Amrum bis Rimini. Nackte Hausfassaden im Internet aber gehen gar nicht! 244.237 Menschen haben Einspruch eingelegt gegen Google Streetview. Vielleicht geht es ja gar nicht um die Privatsphäre – vielleicht sind wir Deutsche am Ende einfach nur technikfeindlich?
Die Statistik spricht eine andere Sprache: Was die Alltagstechnik angeht, sind wir Deutsche Spitzenreiter. Kein anderes Land außer Luxemburg (ja, richtig gelesen) ist privat besser ausgestattet mit Stereoanlagen und Staubsaugern als Deutschland. Was die Technik am Arbeitsplatz angeht, sind wir sogar Weltmeister! Anders dagegen verhält es sich bei der Großtechnologie: Ob Mobilfunkmast oder Bahntrasse, bei Infrastrukturmaßnahmen ist Schluss mit lustig. Ja zum Handy, nein zum Antennenmast. Ein Sozialpsychologe brachte das auf die schöne Formel: Wir lieben die Produkte der Industriegesellschaft, hassen aber die Art, wie sie hergestellt werden.
Und so geht’s problemlos über die verhasste Startbahn West in Richtung Urlaub oder mit der Bahn zum Demonstrieren nach Stuttgart. Ein Widerspruch? Nein. Denn auch das hat die Wissenschaft herausgefunden: nur etwa fünf Prozent der Deutschen lehnen neue Technologien grundsätzlich ab. Der Rest wäre erreichbar für gute Argumente und Diskussion, sofern diese offen stattfinden würde. Des weiteren haben die Verhaltensforscher festgestellt: selbst Gen-Tomaten werden weniger skeptisch betrachtet, wenn diese als solche klar deklariert sind.
Fazit: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Ob Gentechnik oder Atomkraft, Internet oder Intercity: das Zeitalter des Mauschelns ist vorbei, es wird höchste Eisenbahn für mehr Transparenz. Vielleicht hat Heiner Geissler nach Stuttgart ja noch Lust, zwischen Google, Gartenzwergen, dieses ganze „Internet“ zu schlichten. Nur so eine Idee.
Meine Print-Kolumne findet Ihr jeden Freitag im Kultur- und Medienteil der Münchner Abendzeitung.
Wieder mal ein toller Beitrag.
Ich finde ja die ganze Panik übertrieben. Was wollen die Leute damit erreichen, die Ihre Häuser pixeln lassen? Die Hausansicht kann man locker auch über andere Quellen (Auskunft etc) auf den Schirm holen und da schreit keiner auf.
Warum auch, was ist an der Fassade so schlimm? Die kann doch jeder sehen, der da auf der Strasse unterwegs ist.
Wird ein gepixeltes Haus nicht erst interessant? Warum gepixelt, was ist da zu holen/sehen?
Ich hoffe ja für alle, dei sich dagegen „wehren“ (gegen was eigentlich? Google guckt ja nicht INS Haus), das der Schuss nicht nach hinten los geht (übrigens haben sich so einige VOR ihrem Haus interviewen lassen, auch das ist bestimmt irgendwo im Netz auf viele Jahre gespeichert.
In diesem Sinne, ich wohn im 5. Stock, so hoch filmt Google nicht und daher lass ich auch nix pixeln :-D
Im übrigen gilt bei mir da der Wahlspruch „one in a million“
der T
Hi Torsten. Ich versteh die ganze Aufregung auch nicht. Ich vermute mal, viele Leute meinen, dass die Google-Kameras 24h am Tag auf ihr Haus gerichtet sind. Hier hätte Google – vor allem aber die Bundesregierung besser aufklären müssen statt die vorhandenen Ängste auch noch zu schüren. Im Zusammenhang mit dem Internet höre ich aus Berlin überwiegend von Gefahren, selten von Möglichkeiten. Solange man es überwiegend mit einer älteren, ängstlichen, Wählerschaft zu tun hat, geht diese Rechnung sicherlich auch auf.
[…] wenn sich Chancen zur Partizipation ergeben. Und wenn ein gesundes Misstrauen gegen einfach intransparente Prozesse bei der Ablehnung von Street View aus dem Bauch heraus eine Rolle spielt, finde ich das auch eine […]