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Wir Blogger sind spezielle Wesen. Bewundert für unsere Ausdauer. Belächelt für unseren Idealismus. Oft ziehen wir aber auch Neid und Missgunst an, gerade von Kollegen. Hier einige Vorwürfe, die mir als Blogger immer wieder begegnen.
„Du hast leicht reden!“
Wenn mich Menschen fragen, warum ich blogge, treffe ich oft auf Skepsis und Argwohn. „Ja, Duuu! Du kannst leicht ohne Bezahlung bloggen, Du lässt Dich ja von der ARD pampern!“ (Zitat aus der Diskussionsreihe „Redakteur im Verhör“ mit dem geschätzten WDR-Kollegen Dennis Horn). Gemeint ist damit der Umstand, dass ich drei Wochen im Monat Nachrichten beim BR bzw. WDR im Fernsehen moderiere. Den Rest meiner Zeit verbringe ich mit Reisen, treffe spannende Leute und blogge dann darüber.
Indirekt wird mir also vorgehalten, dass ich mir das Bloggen nur leisten könne, weil ich ja einen guten Job habe. Komisch. Lange fühlte ich mich deshalb sogar schuldig. Heute frage ich mich: Warum eigentlich? Dafür, dass ich Tag und Nacht arbeite?! Seit meinem 16. Lebensjahr gab es keine Phase meines Lebens, in der ich nicht gearbeitet habe. Als Lageraushilfe, Kassierer, Küchenjunge, Kellner, Zeitungsausträger, Radio-DJ und TV-Moderator. Ob Früh- oder Spätschicht, am Wochenende oder Feiertag – egal.
„Da könnte ja jeder kommen…“
Seit 14 Jahren präsentiere ich beim Bayerischen Rundfunk die Spätnachrichten, immer kurz vor Mitternacht. Jeder Versuch, auch mal zu normalen Zeiten auf Sendung gehen zu dürfen, und sei es auch nur als Vertretung, scheiterte schon im Ansatz. Ich muss zugeben, oft habe ich mich geärgert, dass ich nicht zum Zuge kam. Und glaubt mir, ich habe es versucht. Mittlerweile bin ich dem Sender fast sogar dankbar dafür, mich tagsüber in Ruhe zu lassen. Wäre es anders gekommen, hätte es mein Blog vermutlich nie gegeben.
Ohne den BR hätte es mein Blog vermutlich nie gegeben.
Dafür werde ich immer wieder von Kollegen dafür belächelt, dass ich blogge. In meiner Freizeit! Ohne damit Geld zu verdienen! Je öfter mir diese Vorwürfe begegnen, umso mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es dabei nicht wirklich um mich geht, sondern viel mehr um die Kritiker selbst. Indem sie mich und meinen Blogging-Lifestyle attackieren, versuchen sie, ihre eigene Trägheit vor sich selbst zu rechtfertigen. Andere zu kritisieren fällt nun mal deutlich leichter, als die eigene Routine in Frage zu stellen.
„Es geht Dir doch nur um Aufmerksamkeit!“
Ein weiterer Angriff, den ich oft erlebe: „Das machst Du doch nur, um damit Aufmerksamkeit auf Dich zu ziehen!“ (…als ob man mich dazu zwingen müsste, für ein iPad Schlange zu stehen!) Klar lebe ich von Aufmerksamkeit. Wie jeder Medienschaffende im digitalen Zeitalter. Mit dem Unterschied, dass ich über keine PR-Abteilung, keine Werbeplaner oder Social-Media-Manager verfüge. Ich habe nur mich und mein Blog, das mit einer Gratis-Software läuft und das ich in meiner Freizeit betreibe.
Neugier und Tatendrang. Sind wir nicht genau deshalb Journalisten geworden?
Bezeichnend, dass die Selbstdarstellungs-Vorwürfe meist von Kollegen, also anderen Journalisten kommen – selten aber von Lesern, Hörern oder Zuschauern. Ist es wirklich so irre zu glauben, dass es Neugier und die Lust an Geschichten sind, die mich antreiben? Dass ich tatsächlich herausfinden möchte, wieso in Ägypten plötzlich eine Revolution losbricht, und nicht, wieviele Klicks ich generiere, wenn ich vom Tahrir-Platz blogge?
Eigenartig, dass ich mich und mein Tun immer wieder rechtfertigen muss. Sind wir nicht genau für solche Momente Journalisten geworden? Manchmal frage ich mich, was wohl in den Kollegen vorgeht, die eine solche Möglichkeit noch nicht einmal in Betracht ziehen? Wann in ihrer Karriere ist ihnen ihre eigene Neugier und ihr Tatendrang abhanden gekommen – und wodurch?
„Bloggen ist kein Journalismus!“
Gerade auf Journalisten-Kongressen bekommt man oft zu hören, Bloggen sei kein Journalismus. Ich halte solche Pauschalurteile für Quatsch. Natürlich ist nicht jedes Blog bzw. jeder einzelne Blogpost, den man verfasst, ein journalistisches Juwel. Umgekehrt zu meinen, nur weil etwas gedruckt oder gesendet wird, handle es sich per se um Journalismus, ist noch viel größerer Unsinn.
Als Königsdisziplin des Journalismus galt schon immer die Reportage, oft subjektiv aus dem Blickwinkel des Reporters geschrieben. Ist Subjektivität per se etwas Schlechtes? Anders gefragt – was ist journalistischer: Ein Blogger, der seine subjektive Meinung zu einem Thema transparent offenlegt – oder vermeintlich neutrale Journalisten, die ihrem Publikum vorenthalten, dass sie ein Parteibuch haben oder in diversen politischen Freundeskreisen verkehren?
„Vom Bloggen kann man nicht leben!“
Und um ein letztes Vorurteil auszuräumen: Vom Bloggen könne man nicht leben. Stimmt. Aber wer hat denn bitte behauptet, das sei unser Ziel?
Der Gedanke ans Geld steht dem erfolgreichen Bloggen oft im Weg.
Bloggen ist kein Beruf. Bloggen ist eine Lebenseinstellung. Man bloggt nicht, um damit reich zu werden. Im Gegenteil: Vieles von dem Geld, das ich mit klassischer Arbeit verdiene, stecke ich in mein Blog. Warum? Weil mir das die Freiheit ermöglicht, wann immer ich will über Themen, Orte und Menschen zu berichten, die mich faszinieren und die in der Tagesaktualität oft zu kurz kommen.
Dass genau aus dieser Grundhaltung heraus tolle Stories und oft sogar gut bezahlte Aufträge entstehen, ist ein angenehmer Nebeneffekt, war so aber nie beabsichtigt. Oft steht das Geld sogar im Weg. Dadurch, dass man immer gleich ans Geldverdienen denkt, bringt man sich um das, was das Bloggen ausmacht: Leidenschaft und Authentizität. Oder wie der großartige Sascha Pallenberg drüben bei Mobile Geeks so schön schreibt:
„Die Monetarisierung ist das letzte worüber du dir Gedanken machen solltest. Nur so hast du die Chance, Spass an der Sache zu finden, Leser und Relevanz zu erreichen, interessant für potentielle Sponsoren zu werden und vielleicht mit der Bloggerei Geld zu verdienen.“
Wer das nicht begreift, wird uns Blogger nie verstehen.
Als jemand, der in der Masse der Blogger untergeht und oft daran scheitert, Regelmäßigkeit einkehren zu lassen, fühle ich mich fast so als könnte ich oft nicht mitreden. Doch sogar der kleine Blog, der manchmal ohne ersichtlichen Grund ein Thema reinschmeißt, das nicht zum Konzept der Erwartungen der Leser passt, verursacht hier und da Reaktionen. „Was machst du da eigentlich?“ oder „Hab mal was gelesen, … schreibst du das selbst?“, kommen da als Reaktionen. Die gänzliche Demotivation von Nicht-Bloggern oder Blog -Kritikern macht es nicht leicht. Aber ich knie vor den Worten dieses Artikels und vergleichbarer Artikel zur Haltung der Blogger-Ehre und fühle mich verstanden. Bloggen macht man eben weil man es kann und weil es Spass macht – und ich – ich blogge weil ich dann (fast) alles sagen kann ohne dass jemand dazwischenredet oder meine dramatisch langen, und manchmal verschachtelten Sätze nicht als solche wahrgenommen werden. Da lob ich mir den Blog. Frei Schnauze und mit Leidenschaft. Monetäre Mittel hol ich mir dann im echten Leben. Die Peanuts für interessante sponsored-posts sind nicht erwähnenswert und ich freue mich nur wenn ein Thema über das ich gerne schreibe auch noch den Tank einmal voll macht. In diesem Sinne! Danke für den schönen Artikel.
Ich danke für das Feedback und Deinen kleinen Erfahrungsbericht. Nicht unterkriegen lassen – Keep on blogging!
Toller Beitrag – den könnte ich sofort so unterschreiben …
Mittlerweile bin ich bei den anonymen Bloggern: Das heißt, in meinem Arbeitsumfeld schweige ich still darüber, weil mich die Reaktionen teilweise auch nerven…Woher nimmst Du die Zeit? ist so eine Standardfrage, immer begleitet von Mißtrauen, ich würde sie mir evt. von der Berufszeit abknapsen.
Oh ja, das ist auch so ein unterschwelliger Vorwurf, von wegen man arbeite wohl nicht lang oder gut genug, dass da noch Zeit zum Bloggen bleibt. Hab ich bis hier! Danke für das Kompliment und Grüße aus Bangkok.
Ja, das bekommt man als Blogger und Wikipedianer dauernd zu hören. Komischerweise hört man das aber nie, wenn jemand von der letzten Skitour erzählt, oder wenn jemand von seinen drei Kindern schwärmt…