In den vorangegangenen Blogposts habe ich Euch gezeigt, welche Ausrüstung ich als Blogger immer bei mir habe und mit welchen Apps ich arbeite. Heute geht es darum, wie ich beides einsetze. Zum Beispiel, wenn ich Interviews führe.
Wozu Video?
Nennt es Multimedia, Crossmedia, Transmedia oder irgendein anderer Bullshit-Name, der gerade um die Ecke biegt. Wenn Ihr mich fragt, sind es genau zwei Dinge, auf die in Zukunft alles hinauslaufen wird: Mobile und Bewegtbild (Wer mein Blog kennt, weiß, dass ich das seit Jahren predige).
Warum also nicht den nächsten Gesprächspartner, den Ihr trefft, nicht gleich auf Video mitschneiden und als Bonus neben Euren Text stellen?
Ich muss Euch warnen: Nur, weil Ihr ein Video auf der Seite habt, bedeutet das nicht, dass Euer Blog viral durch die Decke geht. Im Gegenteil: Meine Erfahrung ist, dass nur wenige Hundert Leser sich solche Extras anschauen.
Aber das ist nicht der Punkt. Worum es wirklich geht, ist es, Erfahrung zu sammeln. Es wird die Zeit kommen, da wird Video Pflicht sein für jedes Medien-Angebot, so selbstverständlich wie Text oder Fotos. Für diese Zeit heißt es, gerüstet zu sein. Und warum nicht sein eigenes Blog benutzen, um sich schon mal warm zu laufen?
In der Regel gibt es zwei Situationen, in denen ich Videos aufnehme:
Umfragen (VoxPops), also schnell geschnittene, spontane Straßen-Interviews mit eher zufälligen O-Ton-Gebern (oder auf Messen, Konferenzen, sonst. Events).
Längere Hintergrund-Gespräche, die mit einer bestimmten Person geführt werden und die eher im Sitzen stattfinden.
Vox-Pops: Schnelle O-Töne direkt in das Samrtphone
Straßenumfrage
Für spontane Umfragen benötigt man keine großen Vorbereitungen. Man zieht los und hält einfach drauf. Praktisch: Bild und Ton werden auf ein und demselben Gerät aufgezeichnet. Nachteil: Gerade in lauten Umgebungen ist der Ton oft unter aller Kanone. Um die Nebengeräusche einigermaßen in Griff zu bekommen, habe ich mir das Winkel-Ansteck-Mikrofon angeschafft.
Noch besser wäre es, eine zweite Person zu bitten, die Kamera (Smartphone) zu halten, so dass man die Hand frei hat für ein Reporter-Mikrofon. Das lässt sich mit dem im Blogpost erwähnten Adapter direkt an das Smartphone anschließen. Zur Not besorgt man sich noch eine Kabel-Verlängerung (Amazon-Partner-Link).
Pro-Tipp: Die Kamera (Smartphone) mal links, mal rechts neben dem eigenen Kopf halten, damit die Blickrichtung der Gesprächspartner variiert. Das ist beim Schnitt wichtig (man schneidet nie zwei Gesichter aneinander, die in die selbe Richtung schauen!). Außerdem macht es das Video abwechslungsreicher.
Interview – Tonaufnahme über externes Mikro
Hintergrundgespräch
Für das ausführliche Interview ist deutlich mehr Aufwand geboten. Das beginnt bereits mit dem Licht (das ist ein Thema für sich und soll ein anderes mal behandelt werden!). Mein gewöhnliches Interview-Setup sieht aus wie folgt:
Variante 1: Eine Kamera
Wenn man noch nie mit Video gearbeitet hat, rate ich zu dieser einfachen Methode. Man arbeitet mit einer Kamera und einer Einstellung. Die eigenen Fragen, die man seinem Gesprächspartner stellt, werden später via Texttafel eingeblendet. Das hat den Vorteil, dass man sich voll und ganz auf sein Gegenüber konzentrieren kann und nicht auch noch den „Gegenschuss“ und den dazugehörigen Ton im Hinterkopf behalten muss.
Das Setup
Ich bitte meinen Gesprächspartner Platz zu nehmen. Das Tripod mit der Kamera/Smartphone platziere ich in etwa 2-3 Meter Abstand und kontrolliere, dass das Licht okay ist (sollte der Gefilmte zu dunkel sein: umsetzen!). Auch der Hintergrund sollte nicht zu sehr vom Gespräch ablenken, es sei denn es passt thematisch.
Der Interviewpartner bekommt das Ansteckmikrofon (siehe früherer Blogpost) gereicht, das er/sie sich am Hemd/Bluse befestigt (das Kabel am besten durch das Hemd führen). Den Stecker steckt man an ein Smartphone (ich benutze dazu immer mein altes Handy). Über eine Recording-App (ich nutze RodeRec) prüft man, dass die Aufnahme läuft. Jetzt den Gesprächspartner bitten, irgendetwas zu erzählen, um den Aufnahme-Pegel auszusteuern. Der Pegel sollte kurz den gelben aber niemals den roten Bereich berühren.
Pro-Tipp: Aufnahmepegel im Zweifel zu leise aussteuern. Leise Aufnahmen lassen sich im Nachhinein verstärken. Übersteuerte Aufnahmen lassen sich nicht mehr korrigieren!
Wichtig: Das Smartphone auf Flugmodus stellen, damit kein Anruf oder SMS die Aufnahme unterbricht. Vergewissere Dich noch einmal, dass die Aufnahme läuft. Jetzt das Gerät auf Standby stellen, so dass der Bildschirm schwarz wird und niemand aus Versehen auf eine falsche Taste kommt. Keine Sorge: die Aufnahme läuft auch im Standby-Modus weiter!
Jetzt setze ich mich auf meinen Stuhl, der so nah wie nur irgend möglich neben dem Kamerastativ steht. Achtet darauf, dass sich Euer Kopf (unnatürlich) nah an der Kamera befindet (die Kamera dabei nicht verdecken). Der Interviewte soll Dich, den Fragesteller, anschauen – nie in die Kamera blicken.
Variante 2: Zwei Kameras
Gerade für Gespräche, die weniger von Frage und Antwort sondern vom „Miteinander“ leben, empfiehlt es sich, eine zweite Kamera für den „Gegenschuss“ mitlaufen zu lassen. Hierzu richte ich Kamera und Ton exakt so ein, wie das unter Variante 1 beschrieben ist. Zusätzlich benutze ich eine zweite Kamera, die ich mit einem Mini-Tripod auf den Tisch stelle und auf mich selbst richte. Bei Smartphones dazu die gute Kamera auf der Rückseite verwenden, nicht die Front-Kamera auf der Display-Seite (Zum Einrichten, eine dritte Person als Double auf Deinen Platz setzen).
Natürlich könnt Ihr für Eure Fragen noch einmal ein extra Mikro bemühen. Da ich als Fragender aber sowieso neben der Kamera sitze, spreche ich meine Fragen oft direkt in das eingebaute Mikrofon der Kamera (Smartphone). Für einfache Projekt reicht dieser Ton alle mal!
Interview mit 2. Kamera (Smartphone) und externe Tonaufnahme – Bloggerin Ursula Prem zur Modellbau-Affäre auf Krautreporter
Die Aufnahme
Dieser Punkt ist sehr sehr wichtig: Startet die Aufnahme auf allen Geräten (Variante 1: Kamera + Ton – Variante 2: Kamera A, Kamera B + Ton) und vergewissert Euch, dass alle Aufnahmen auch wirklich laufen (Wie oft habe ich schon Videos in den Sand gesetzt, weil auch nur eines der Geräte am Ende doch nicht lief!).
Jetzt nehme ich auf meinem Stuhl direkt neben der Kamera Platz und klatsche gut sichtbar für die Kamera(s) in die Hände. Diese „Klappe“ ist ein wichtiger Marker um später die Bild- und Ton Spuren zu synchroniseren.
Pro-Tipp: Nehmt auch ein paar Nahaufnahmen von 2-3 neutralen Gegenständen aus der Bildkomposition auf, z.B. eine Kaffeetasse oder ein Bild, das an der Wand hängt. Diese Inserts lassen sich später im Schnitt wunderbar über zwei Passagen kleben, um Schnitte zu kaschieren.
Der Schnitt
Ihr habt alle Zutaten – jetzt wird gekocht! Welches Schnittprogramm Ihr dazu verwendet, ist egal. Wie im vorangegangenen Blogpost besprochen, arbeiten die meisten Programme alle nach dem gleichen Prinzip. Für diesen Blogpost demonstriere ich das Vorgehen anhand von Final Cut Pro.
Als erstes werden alle Bild- und Tonspuren in der Timeline übereinander gelegt. Dazu solltet Ihr darauf achten, dass auch bei der Bildspur der Tonpegel eingeblendet ist, um die Spuren lippensynchron zu bekommen. Final Cut Pro bietet eine Funktion an, eine automatische Synchronisierung vorzunehmen. Diese funktioniert aber nur in Ausnahmefällen.
Ich empfehle die visuelle Methode: Sucht die Stelle, an der Ihr bei der Aufnahme geklatscht habt. Schiebt Bild- und Tonspuren solange auf der Timeline hin und her, bis alles Peaks exakt übereinanderliegen (Für das Finetuning an die Position näher heranzoomen). Wenn Ihr das getan habt und das Projekt abspielt, darf es keinen Echo- oder Hall-Effekt geben.
Jetzt wird jede Spur einzeln optimiert: Bildausschnitt, Helligkeit und Farbwerte werden angepasst. Tonhöhe, Bässe, Rauschen etc. angepasst (dazu die jeweils anderen Tonspuren stummschalten).
Wichtig: Diesen Prozess unbedingt machen bevor Ihr den ersten Schnitt setzt! Wenn Ihr das erst am Schluss macht, müsst Ihr jeden gottverdammten Einzel-Schnipsel im Nachhinein nachbearbeiten, was eine unendliche Fummelei ist! Optimiert Ihr die Spuren gleich zu Beginn, nur so könnt Ihr sicher sein, dass alle Teile Eures Interviews aus einem Guss sind.
Jetzt beginnt der eigentliche Schnitt. Bei meinen Interviews achte ich auf einen harmonischen Wechsel aus Frage und Antwort. Lange Antworten lassen sich kürzen, indem man ein Insert, also einen Gegenschuss (sich selbst zuhörend) oder einen zu der Szene passenden Gegenstand (z.B. Kaffeetasse) als Bild-Klebstoff benutzt.
Dazu sucht man sich eine Stelle, die sich leicht kürzen lässt und setzt den Schnitt so, dass er in der Audiospur möglichst natürlich klingt. Im Anschluss legt man über die Stelle für 2-3 Sekunden ein neutrales Bild, um damit zu kaschieren, dass die Lippen oder Körperhaltung des Interviewten an der Stelle springen.
Erst jetzt, ganz zum Schluss, werden die Lautstärkekurven angepasst. Dazu werden nur die Tonspuren hochgezogen, die gerade dran sind. Alle anderen Spuren werden an der Stelle auf 0 gesetzt. Im Idealfall ergibt sich für jede Tonspur eine Buckelpiste, die wie ein Zahnrad in die jeweils andere greift.
Pro-Tipp: Achtet darauf, dass der Pegel jeder Tonspur etwa auf -9 bis -12 db liegt. Das ist die optimale Lautstärke zum Ausspielen des fertigen Videos.
Wenn alles fertig ist, schaue und höre ich mir das Gesamtwerk an. Wenn alles passt, runde ich die Ton-Übergänge ab, indem ich den Wechsel in die jew. Tonspur leicht ein- bzw. ausfade. Dann lege ich Bauchbinden bzw. Dauer-Logo über die Bildspur. Fertig.
Ich hoffe, dieser Blogpost hat Euch was gebracht. Wenn Ihr Fragen oder Wünsche für den nächsten Workshop habt – ich freue mich über jeden Kommentar!
schöne Tipps, habs gern gelesen, aber in dem Interview mit Frau Prem scheint es mir doch einige Ton-Probleme zu geben. Ich finde es wirklich komisch, wenn immer wieder die Mikros komplett wechseln. Der Ton klingt ständig anders. Ich würde den jeweilig anderen Sprecher nicht auf null pegeln, klar ein bisschen leiser als den Hauptsprecher, aber so is das ganz komisch. (auf null bekommt man den jeweilig anderen Sprecher eh nicht, da er immer auf dem anderen Mikro auch drauf ist)
Außerdem würde ich darauf achten, dass der Gegenschuss nicht von unten kommt. Unter- oder aufsichtig ist sowieso zu vermeiden, da es den Gefilmten entweder erhöht, oder erniedrigt, und das hier sollte doch auch ein Gespräch auf Augenhöhe sein oder nicht?
Ich hatte im übrigen noch nie Probleme mit der automatischen Synchronisation der Audiospuren in Premiere. Wichtig ist nur, dass die Klatscher laut und deutlich sind. Ich würde zwei Ansteckmikros nutzen, diese beiden Tonspuren dann mit der des Videos synchronisieren und die des Videos dann rausschmeißen.
viele Grüße, Marcus
In allen Punkten gebe ich Dir Recht. Vor allem was den Ton betrifft. Aber die zweite Kamera und auch der Ton waren nur ein Extra, für das ich kein eigenes Stativ oder Mikro (oder gar Mischpult!) kaufen oder mitschleppen wollte. Genau darum geht es mir: Arbeite mit dem, was Du hast. Sonst könnte ich auch gleich mit dem Profi-Equipment kommen, das ich für TV-Beiträge benutze. Dann wäre aber auch noch ein Lichtkoffer nötig geworden, um die fehlend Spitze zu setzen und mich selbst auszuleuchten. Irgendwo muss man einfach sagen: Schluss!
Klasse, danke Richard. Erinnert mich auch daran, wieder mal mehr mit Video zu arbeiten!
Ja, ich muss mich auch oft dazu durchringen. Viel Arbeit. Wenig Ruhm. Ich nenne es Training ;-)