Wakeup-Call für die Kanzlerin: Nach Weltkrieg II, dem Kalten Krieg und dem Krieg gegen den Terror, sind wir im Cyberwar angekommen. Jetzt rächt sich die Digital-Ignoranz einer ganzen Politikergeneration. 

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Die Wut auf die Amerikaner ist groß. Doch nicht etwa Obama, sondern Angela Merkel ist es, die uns verraten hat. Der Skandal ist nicht das Kanzler-Handy, das möglicherweise von der NSA angezapft wurde, ist nicht die zügellose Abhörpraxis der Geheimdienste, die mit Terrorbekämpfung schon lange nichts mehr zu tun hat. Der eigentliche Skandal ist die Ignoranz, die Angela Merkel an den Tag legte, als es „nur“ um die Grundrechte von Millionen einfacher Bundesbürger ging.

Was war das für ein erbärmliches Herumgeeiere letzten Sommer – wir erinnern uns: Eine Kanzlerin, die abwiegelt, trotz der zahllosen Hinweise, die ihr dank der Zivilcourage eines Edward Snowden auf dem Silbertablett präsentiert wurden. Ein Bundespräsident, der kurzerhand eben diesen Edward Snowden öffentlich als Verräter brandmarkte. Ein Geheimdienstkoordinator, der die berechtigten Sorgen seiner Landsleute gleichgültig vom Tisch wischte. Ein Innenminister, der sich mit seinen unfassbar naiven Äußerungen in Berlin und Washington öffentlich zum Hans-Wurst machte.

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Geheimdienste außer Kontrolle

Das eigentliche Problem sitzt tiefer im Getriebe unseres Staatsapparates: Die Geheimdienste sind sprichwörtlich außer Kontrolle. Gemeint sind nicht nur die Spione aus den USA oder Großbritannien. Auch unsere eigenen drei großen Nachrichtendienste führen ein unheilvolles Eigenleben. Eine parlamentarische Kontrolle, auf die sich die Sicherheitspolitiker gerne berufen, findet in der Praxis nicht statt. Die Berichte, die dem sog. G10-Kontrollgremium vorgelegt werden, schreiben sich die Geheimdienstbehörden selbst.

Allein in Deutschland haben rund 250 Polizeibehörden Zugriff auf unsere Handydaten, können per Knopfdruck erfahren, wann wir wo mit wem telefoniert haben. Terrorbekämpfung? Papperlapapp. Als Anlass für solche Abfragen, die in keiner Statistik auftauchen, dient schon eine einfache Ordnungswidrigkeit.

Mit dem Lauschangriff auf ihr Handy hat Angela Merkel ihr persönliches Fukushima erlebt. Nicht etwa der Umstand, dass sie abgehört wurde, sondern die Tatsache, dass es jetzt alle wissen und sie dagegen machtlos ist. Ein Datengau, wie er für ein Staatsoberhaupt kaum größer sein könnte. Ob Merkel endlich im Neuland angekommen ist und nun die Datenwende einläutet? Ich fürchte, dafür ist es in ihrem Fall schon zu spät.

Seht Ihr das anders?

vorratsdaten bannerLeseempfehlung: „Die USA dürfen Merkel überwachen“ – Zeit-Interview mit dem Historiker Foschepoth über die US-Geheimverträge mit den Deutschen

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39 Kommentare
  1. Dirk Hansen schreibt:

    Bei aller Sympathie für diesen #Aufschrei: Weltkrieg II, Kalter Krieg, Krieg gegen den Terror – insgesamt Millionen Tote und unsagbares Elend. Fukushima – eine grauenvolle Naturkatastrophe. Keine guter Vergleiche! Digital-Ignoranz einer ganzen (Politiker-) Generation? Mag sein, in dieser Totalität möglicherweise auch etwas übertrieben. Gerade jetzt kommt es doch auf den richtgen Ton in der Debatte an. Sicherheitsbehörden haben massiv Vertrauen gebrochen, wie wahr. Nur muss man jetzt die destruktiven Kräfte im Staatsapparat – übrigens auch in der Datenwirtschaft – identifizieren und unter Kontrolle bringen. Nicht alle pauschal abschimpfen, wenn ich das mal so naiv sagen darf. Wie gesagt, bei aller Zustimmung zum Unmut über den unglaublichen Skandal.

    • Richard schreibt:

      …und wir alle wissen, wie WWII, Kalter Krieg (KGB / Stasi) und Terror begonnen haben, oder? Ich muss Dir widersprechen: Das ist sogar ein sehr guter Vergleich. Denk mal drüber nach.

      • Dirk Hansen schreibt:

        Vielen Dank für den Blitz-Geschichtsunterricht. Aber ein, zwei Argumente würden mir beim Nachdenken sicher weiterhelfen. Die Ver-Datung der Menschheit halte ich auch für ein Riesen-Problem. NSA und Konsorten müssen da nur den Staubsauger reinhalten. Nur rennen wir da ja auch mit aller Fröhlichkeit und Freiwilligkeit hinein. Mir reicht es einfach nicht aus, Merkel einfach für doof und Obama zum Teufel mit den großen Ohren zu erklären. Mit dem Wort „Cyber-War“ kann ich gut leben. Nur können wir den ja nicht ausschießen – so sehr das manche Nerds reizen mag. Den müssen wir aufklären und ausverhandeln.

      • tinathied schreibt:

        Da Staaten strategisch aufgebaut werden, um ihre Netze in sich selber zu binden, benötigt es nicht nur an Räumlichkeitsabhörung und Kameranutzung! Sondern auch der Optimierung von Partnerschaften! Ansonsten wäre keine Sicherheit in einem Land gewährleistet! Schlimm … aber Fakt! Die Masse, die sich hier mit Datenreinspielerei befaßt, grenzt so weit, jedenfalls für mich, dass ich mich frage, wo ich lebe!

  2. Alexander schreibt:

    Glaubst Du wirklich, dass das zufällig passiert ist?

    Ich glaube, das ist eine geplante Aktion. Man hat bemerkt, dass man die Abhöraffäre doch nicht so einfach für beendet erklären kann. Also braucht es einen Plan.

    Also verkündet unser Regierungssprecher, dass selbst die Chefin abgehört wird und gibt den Anstoß zur Empörungswelle. Jetzt hat das offiziellen Charakter. Natürlich wird man jetzt was tun. Einen Imageschaden gibt es für die Kanzlerin nicht wirklich, denn bei denjenigen, die ihn jetzt herbeischreiben hat sie diesbezüglich eh kein gutes Image mehr.

    Jetzt kann man aber Aktionismus verbreiten, jetzt gibts ja einen massiven Anlaß. Und diesen wird man so steuern, dass ausser klein-klein – auch mit drastischem Verweis auf wirtschaftliche Nachteile, die andernfalls alternativlos eintreten werden – und, wichtig, dem Hinweis darauf, dass es nur globale Lösungen geben kann und die halt Zeit brauchen (und natürlich niemals kommen werden, siehe Umweltpolitik).

    Ich bin gespannt, ob die Headline „Kyoto-Protoll des Datenschutzes gefordert“ noch in diesem Jahr in der Presselandschaft auftaucht.

    Praktisch ist das schon. Kann man dann doch diesen schwierigen internationalen Prozess immer wieder aus der Tasche holen. Aktivität simulieren, Wahlvolk beruhigen, ein wirklich praktischen Werkzeug, dieser internationale Ansatz. Ein neuer Skandal, nach Abhärung nur noch ein Skandälchen => Wir tun ja was. Schwierige internationale Verhandlungen, you know.

    Es wird sich zeigen, dass die Bevölkerung in letzter Konsequenz nicht bereit ist, den Wohlstand zu opfern um damit ein ungewisses Freiheitsversprechen zu erkaufen. Dazu wird es reichen, das Attribut „alternativlos“ im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Überwachung zur Wohlstandssicherung mantramässig zu verwenden. Die Mehrheit der Bevölkerung wird nicht mal ansatzweise bereit zu sein, das Risiko einer solchen Entscheidung pro Überwachungsfreiheit in Kauf zu nehmen.

    Vergegenwärtigt man sich, wie wenig die ehemaligen Bürger der Stasi-DDR gegen den aktuellen Überwachungswahn unternehmen dann merkt man, dass da nicht viel passieren wird. Scheinbar wurde und wird das in letzter Konsequenz doch nur als „lästig“, aber nicht als verletzend empfunden. Und man kann sich das ja auch schönreden… Außerdem ist das Thema ja jetzt endlich auch bei Mutti angekommen und Mutti kümmert sich jetzt schon darum.

    Und damit schließt sich der Kreis zur Aussage am Anfang. Jetzt mit Pauken und Trompeten etwas Dampf aus dem Kessel lassen, etwas Kosmetik und ein paar Marketingwerkzeuge implementieren und dann gepflegt weiter so wie bisher.

    • Justbeep schreibt:

      Ja, ich halte den aktuellen Zirkus ebenfalls für eine planvoll inszenierte Show. Opium für’s Volk, damit es sich erzürnt, ehrlich entrüstet UND NICHT WEITER NACHDENKT!
      Wie blauäugig muß man sein, um zu glauben, Mutti hätte nicht gewußt, was der amerikanische Onkel so alles treibt!

Willkommen!