Vor 4 Jahren habe ich geglaubt: Die nächsten Bundestagswahlen werden im Netz entschieden. So kann man sich irren.

big-Merkel

Willkommen im Superwahljahr 2013! Sind das die ersten Wahlen, die im Netz entschieden werden? Ich bezweifle das. Zwar hat sogar der letzte Hinterbänkler inzwischen eine Facebook-Seite (bis auf Ilse Aigner, unsere Jeanne d’Arc des Datenschutzes). Je länger aber die Selbstdemontage der Piraten anhält, desto geringer der Druck auf die etablierten Parteien, sich mit diesem „Internetz“ zu beschäftigen. Raus aus der virtuellen Realität und zurück in die Fußgängerzone: „Eine Rose und unser Wahlprogramm, gnä‘ Frau?“

wahlplakate„Big Data“, so die Zauberformel, die Barack Obama eine zweite Amtszeit bescherte. Mithilfe gigantischer Datenbanken machten Demokraten wie Republikaner in den USA Jagd auf Wechselwähler. In Deutschland sind wir von einer deratigen Web-Wahlschlacht weit entfernt. Datenschutz hin oder her. Talkshows und Tapeziertische statt Twitter und Tablets. Mal was neues wagen? Bloß nicht! Wir Deutsche sind nun mal Gewohnheitstiere.

Dabei wäre es dringend an der Zeit für ein gesellschaftliches Update. Deutschland ist wirtschaftlich stark. Die Arbeitsplätze der Zukunft liegen aber nun mal nicht in unseren Industriehallen, sondern in der Informationstechnologie. Ein Gebiet, auf dem wir geradezu blank sind, weil das Internet der Feind ist, der bis in die letzten Winkel reguliert und überwacht werden muss. Deutschland gehört zu den Ländern mit der ältesten Bevölkerung der Welt. Dieses Ungleichgewicht verzögert Erneuerungsprozesse, die lange überfällig sind – in der Wirtschaft, in der Politik, wie auch sonst wo.

 

Wenn ich mir etwas für das Superwahljahr wünsche, so sind das keine digitalen Analphabeten, sondern Internet-erfahrene Alpha-Tiere. Kandidaten, die ihre Politik nicht nach Infratest Dimap ausrichten, sondern unbequeme Visionäre, die uns auf eine vernetzte Zukunft vorbereiten. Eine Welt, die sehr viel komplexer und anstrengender sein wird, als alles, was wir bislang kannten. Eine Welt, die aber auch mehr Chancen und mehr Substanz zu bieten hat, als das, was uns die ewigen Polit-Populisten aus der Postkutschen-Ära weismachen wollen. Big Data statt Big Bla Bla – wo bitte darf ich mein Kreuzchen machen?

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19 Kommentare
  1. Ich denke, dass ein „gesellschaftliches Update“ ein für Engagement geöffnete Parteien benötigt, und gleichzeitig eine engagierte Öffentlichkeit.
    Bei mir hier in Neustadt/Aisch haben nur noch wenige Tausend Einwohner die einzige verbliebene Tageszeitung abonniert. Trotzdem setzen die meisten Parteien weiter auf die Zeitung. Und auf die Tapeziertische: am besten an einem Marktsonntag, wenn die Landbevölkerung in die Stadt strömt.
    Mit entscheidend für Zukunftsfähigkeit ist, wer heute (noch) zur Wahl geht: die Bedeutung des Wahlrechtes ist nämlich vor allem bei älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern präsent, und ich vermute, dass sie es auch proportional mehr wahrnehmen.

    • Richard schreibt:

      Nicht dass wir uns missverstehen: Die Politiker machen ans sich alles richtig. Sie wollen gewählt werden, passen sich also an die entscheidenden Wählergruppen an. Genau DAS denke ich ist das Problem. Niemand traut sich mehr, unangenehme Wahrheiten auszusprechen (siehe Rentendebatte). Die McKinsey-isierung der Politik führt dazu, dass keiner mehr eine Vision hat, sondern sich von Meinungsumfragen absichert, bevor er sich festlegt. Wir Deutsche können uns das leisten, schließlich tragen uns die Früchte unserer Vorfahren aus dem Industriezeitalter noch eine Weile. Die Frage ist: Was kommt danach?

  2. Julian schreibt:

    Richard, ich sehe das ähnlich und habe auch Zweifel daran, dass 2013 das Jahr des Internetwahlkampfes wird. Beide Kandidaten vermitteln nicht gerade den Eindruck, dass sie Internettypen sind. Sie wollen es nicht. Aber wahrscheinlich würde es auch unglaubwürdig wirken, oder? Schade eigentlich. Denn mit dieser Einstellung (Internet ist nicht mein Ding) gehen beide mit schnellen Schritten geradeaus an den (jungen) Wählern vorbei…

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