Früher gab es den Weihnachtsmann, der einem die geheimsten Wünsche von den Augen ablas. Heute erledigt das Amazon. In Zukunft lagern alle unsere Wünsche in der Cloud. Und bei den Geheimdiensten.

Als ich klein war, las mir das Christkind die Wünsche von den Augen ab. Heute macht das Amazon. Wann immer ich die Seite aufrufe, werde ich mit Angeboten begrüßt, „die Ihnen gefallen könnten“. Das Problem: Die Produkte, die mir das Online-Kaufhaus vorschlägt, gefallen mir tatsächlich! Magie?

Hinter solchen personalisierten Vorschlägen stecken natürlich Algorithmen, die eine Vorauswahl zusammenstellen anhand jener Artikel, die ich mir bei früheren Besuchen schon mal angesehen habe. Erschreckend: Mit diesen Empfehlungen trifft Amazon meinen Geschmack (= Smartphone-gesteuerter Mini-Hubschrauber*) deutlich besser als meine Familie (= Pullover*). Doch woher weiß Amazon, dass ICH es bin, der die Seite gerade aufruft? Früher haben wir dem Nikolaus Plätzchen hingestellt. In der digitalen Welt hinterlassen wir Cookies, die verraten, wer wir sind, ob und wie oft wir eine Seite schon mal besucht haben.

So was funktioniert nicht nur bei Online-Warenhäusern, sondern auch bei Fluglinien. Diese Woche bin ich mit Lufthansa geflogen. Weil es Vormittag war, bekamen alle Passagiere an Bord Frühstück. Ich nicht. Ich bekam Chinesisch. „Könnte ich das gleiche kriegen, was die anderen auch haben?“ bat ich die Flugbegleiterin. „Geht nicht!“, gab diese mir mit strengem Blick zu verstehen. Das Essen sei abgezählt und laut meiner Computer-Buchung bevorzuge ich Asia-Gerichte. Und die Lufthansa muss sowas wissen – näher an der Cloud geht nicht!

Dass ich gern Chinesisch esse (offenbar auch zum Frühstück), wissen übrigens nicht nur mein Computer und die Lufthansa, das wissen auch die europäischen Polizeibehörden und Geheimdienste. Laut EU-Innenausschuss sollen die Wunschlisten sämtlicher Fluggäste nicht nur an die USA übermittelt werden, sondern künftig routinemäßig in einer eigenen Polizeizentralstelle gespeichert werden. Dabei werden nicht nur Namen, Flugziel und Reisedatum erfasst, sondern auch präferierte Sitzplätze, Essensvorlieben, Buchungsmethoden und Kreditkartennummern.

Beruhigend: Sollte ich eines Tages von der Bayerischen Justiz für verrückt erklärt und in eine Klapsmühle gesteckt werden, brauche ich mir wenigstens um die Verpflegung keine Gedanken zu machen. Und wenn ich brav war, wer weiß, vielleicht bekomme ich an Heilig Abend zu meinem Asia-Menü dann auch einen Glücks-Cookie.

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10 Kommentare
  1. Oliver schreibt:

    Und die Lufthansa muss sowas wissen – näher an der Cloud geht nicht!

    Einen Cookie für das lustige Wortspiel. Die Tage hat sich jemand auf Google Plus ganz jämmerlich geklagt, weil seine Nichte auf seinem PC bei Amazon rumgestöbert hat und seitdem seine Empfehlungen … sagen wir mal „mädchengerechter“ geworden sind.

    Naja, http://weknowmemes.com/2012/11/grumpy-cat-on-life/ :-)

  2. Norbert schreibt:

    Bei mir verfehlt Amazon dagegen oft meine Geschmack.
    Das liegt aber daran, dass ich mit meiner Frau einen Account gemeinsam nutze und darüber auch Geschenke und Bestellungen für mehre Personen abwickeln.
    Da ist es dann schon sehr lustig, wenn ich dann die neusten Frauenromane kaufen soll – die interessieren mich so gar nicht :-)
    Somit hat die heutige Personalisierung da ihre Grenzen, wo sich für die Maschine die Personen nicht scharf trennen lassen.

Willkommen!