Wir Deutsche und das Internet – wie soll man sagen: it’s complicated. Eine repräsentative Befragung zeugt von großer Skepsis gegenüber neuer Technologien in der Bevölkerung. Vor allem die Alten fürchten, dass die Gesellschaft durch die Digitalisierung verblödet.
2014 ist das Jahr der Digitalen Gesellschaft. Wussten Sie nicht? Schämen Sie sich. Wurde doch so vom Bundesbildungsminister höchstpersönlich ausgerufen! Unseren Bildungsminister – den kennen Sie doch, oder? …Ich bitte Sie, lieber Leser, so etwas gehört ja nun wirklich zur Allgemeinbildung!
Womit wir schon mitten im Thema wären. Das Ministerium für Bildung und Forschung hat gerade eine repräsentative Umfrage veröffentlicht. Im Zentrum dabei standen die Erwartungen, die Hoffnungen und die Befürchtungen, die wir Deutsche mit der voranschreitenden Digitalisierung unserer Gesellschaft verbinden. Wichtigste Erkenntnis: Ein Großteil der Befragten fürchtet, das Internet mache auf Dauer doof.
Zwei von drei Befragten über 45 Jahren sind der Meinung, dass die Menschen durch den Einsatz digitaler Technologien insgesamt weniger lernen und nachdenken. Von den Unter-30-Jährigen sagen das immerhin noch rund 50 Prozent, also jeder Zweite (ohne Taschenrechner!). Die Mehrheit der Deutschen fürchtet, dass sich die zunehmende Abhängigkeit vom Internet in 10 Jahren dramatisch auf die Allgemeinbildung auswirken wird. Mit noch nicht absehbaren Folgen.
Nicht auszudenken, was das allein für die Fernsehunterhaltung bedeutet! Wenn die Kandidaten bei „Wer wird Millionär“ in Zukunft alle schon an der 100-Euro-Frage scheitern. Wenn ein Gedächtniskünstler Wettkönig wird, weil er es schafft, bei Wetten dass..? die eigene Telefonnummer fehlerfrei aufzusagen. Wenn der einzige Kommissar, dem es beim sonntäglichen Tatort noch gelingt, wenigstens hin und wieder mal einen Mord aufzuklären, Rainer Zufall heißt (überzeugend verkörpert durch Till Schweiger).
Was können wir tun? Die Antwort liegt auf der Hand. Zurück zu den Wurzeln: Brockhaus statt Wikipedia, Fußgängerzone statt Amazon. E-Mails lassen sich auch ganz wunderbar auf der Schreibmaschine schreiben und dann per Post verschicken. Ob das allein schon reicht, um die drohende Verdummung unserer Gesellschaft aufzuhalten? Eine große Aufgabe für unsere Bundesbildungsministerin. Die heißt übrigens Johanna Wanka. Hab ich mal eben für Sie gegoogelt.
Die Umfrage zur „Zukunft der digitalen Gesellschaft“ gibt es hier zum Download [PDF].
Es gehört wohl auch zur Allgemeinbildung, dass der Bundesminister für Bildung und Forschung eine Ministerin ist… ;)
…womit dann also bewiesen wäre, dass das Internet tatsächlich doof macht. Wobei, bei mir persönlich habe ich nach akribischer Vergangenheitsrecherche (gut, so weit die halt in meinem Stadium der Doofheit noch möglich war) den Verdacht, dass das schon vor dem Internetzeitalter anfing…
Aus der Befragung: „Denn gleichzeitig glauben gerade einmal 15 Prozent, dass die Höflichkeit in sozialen Netzwerken in Zukunft zunehmen wird.“ Vielleicht führt der Weg zur Akzeptanz der Digitalisierung über die universellen Werte wie Höflichkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Sitzplatz anbieten usw.
Ich frage mich, wie das Bundesbildungsministerium die Ergebnisse dieser Umfrage in seine Aktionen zum Jahr der Digitalen Gesellschaft umsetzt. Bin gespannt auf den Abschlussbericht.