Beim Datenschutz wird sichtbar, wie unbeholfen unsere Politiker in der Digitalen Welt („Neuland“) agieren. Diese Unfähigkeit wird ausgenutzt. Auch von den Geheimdiensten.

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Renaissance auf Ecstasy

Es mag uns nicht bewusst sein, aber Sie, ich, wir alle schreiben gerade Geschichte. Wir sind Teil einer der größten Umwälzungen, die unsere Gesellschaft je erlebt hat. Die Digitalisierung unseres Lebens ist größer als die Wiedervereinigung, größer noch als die Französische Revolution. Jedes Smartphone, jeder neue Tablet-Computer, den wir kaufen, ist Teil dieses Prozesses. Die analoge Welt um uns herum häutet sich, erfindet sich neu, und das in einem Tempo, dass es einige von uns aus der Kurve trägt. Eine Renaissance auf Ecstasy.

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Grundgesetz außer Kraft 

Das wäre nicht weiter tragisch, würde es sich bei den Abgehängten nicht ausgerechnet um unsere Volksvertreter handeln – die, das wird in diesen Tagen deutlich, nicht die Interessen des Volks vertreten (zumindest nicht das der Deutschen). Beispiel Total-Überwachung: Jedes Telefonat, jede E-Mail, jede Webseite, die wir besuchen, wird gespeichert. Sogar die Umschläge unserer Postbriefe werden abfotografiert, die Daten an US-Behörden weitergeleitet. Ein ganzes Volk unter Dauerbeobachtung. Millionenfacher Verfassungsbruch. Geduldet und vermutlich sogar noch aktiv unterstützt von der Bundesregierung.

Die Politik scheint die Tragweite ihres Tuns noch gar nicht begriffen zu haben, hechelt der technologischen Entwicklung nur noch hinterher: Netzsperren, digitale Radiergummis, die Verpixelung von Häusern, Sendezeiten für das Internet, nur ein paar der glorreichen Vorschläge unserer Berliner Elite der letzten Jahre. Das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein, haben sie immer wieder gemahnt. Dank Edward Snowden wissen wir heute: der Staat ist es selbst, der im Verborgenen dabei ist, den größten nur erdenklichen Raum zu schaffen, in dem das Grundgesetz außer Kraft gesetzt ist.

Spontan-Interview mit Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner aus dem Jahr 2010 (Handykamera – sorry!)

Und die Bundeskanzlerin? Beschwichtigt, packt ihre Hosenanzüge und verabschiedet sich in den Urlaub. Zurück bleibt ihr Innenminister, der vor zwei Jahren von uns Bürgern noch einen „Klarnamenzwang“ im Internet verlangt hat. Seit dieser Woche nun ruft er die Bevölkerung auf, ihre Internet-Kommunikation zu verschlüsseln. Anstatt, dass der Staat uns vor seinen außer Kontrolle geratenen Geheimdiensten beschützt, sollen wir nun also selbst vorsorgen? Die informationelle Selbstbestimmung, ein „Idyll aus vergangenen Zeiten“, so Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der Union. Was für eine Bankrotterklärung. Die Aufforderung „Verschlüssel‘ doch“ ist das neue „Geh‘ doch nach drüben!“.

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21 Kommentare
  1. Petra schreibt:

    Ach, ja…. Wird das nicht langsam langweilig? Immer auf der „Politik“ und deren Köpfen in den Medien einzuschlagen?
    Wer macht denn Politik? Doch die Damen und Herren Referenten, persönlichen Sekretäre und auch Auszubildenden in so einem Ministerium. So ein Minister ist auch nur ein Abnicker und genau wie der „Gemeine Digital Native“ äußerst eng begrenzt in seinen Informationen.
    Und „Geh doch nach drüben“ hat in den letzten 25 Jahren niemand gesagt. Und man möchte es sicher nicht von einer jungen Frau lesen, die mit dem Spruch vielleicht so gar nichts anfangen kann, mangels Lebenserfahrung. (Ich möchte mich jetzt nicht so festlegen, Tweets sagen ja so gar nichts über den Menschen dahinter aus)

  2. Hans schreibt:

    Alles richtig. Zwei Einwände:
    1. Das Bild – „Verschlüssel doch“ ist das neue „geh doch nach drüben“ – ist total schief. Es passt einfach gar nicht. „Verschlüsselung doch“ ist keine Beleidigung, wird nicht zur Ausgrenzung Andersdenkender verwendet, sondern ist nur Ausdruck der eigenen Ahnungs- und Lustlosigkeit. Aber der Spuch kommt ja auch von Julia Schramm. Die hat noch nie irgendeinem zusammenhängenden, logischen Gedanken hinbekommen.

    2.“Dank Edward Snowden wissen wir heute: der Staat ist es selbst, der im Verborgenen dabei ist, den größten nur erdenklichen Raum zu schaffen, in dem das Grundgesetz außer Kraft gesetzt ist.“
    Dank Edward Snowden wissen nicht „wir“, sondern dank Edward Snowden wissen die Medien, dass alles mitgeschnorchelt wird. Jeder, der sich ein bisschen damit auseinander gesetzt hat, weiß das seit Jahren.

    • Richard schreibt:

      Wussten wir das? Oder ahnten wir das nur? Nicht ganz unwichtiges Detail.

      • Michel schreibt:

        Dieses Detail ist tatsächlich extrem wichtig. Das es so krass ist, hätte ich z.B. nicht für möglich gehalten…

        • Balu59 schreibt:

          vorher war es eine Verschwörungstheorie bei der man mitleidig belächelt wurde. Heute wussten es schon alle auch ohne beweise.

      • Iris schreibt:

        Wir ahnten das.
        Zumindest wir Studenten in den 90ern. Die mit den ersten Uni-email-Adressen. Die noch mit Gopher die Mensapläne einer brasilianischen Uni studierten und fasziniert von den neuen Möglichkeiten waren. Und wir waren nur teilweise IT-Nerds…andere, wie ich, waren nur interessierte User. Bereit, das Notwendige zu Bedienung und Sicherheit zu erlernen, aber nicht bereit, zum Netzwerkspezialisten zu mutieren.

        Aber wer weiß heute noch, was Gopher war? Oder das irc? Oder ftp? Oder was ein Port wirklich ist? Oder wie man den header einer email liest, den ein heutiges Mailprogramm nur noch zeigt, wenn man es zwingt?

        Als gegen Ende der 90er das Internet sogar die Haushalte der Otto-Normalverbraucher eroberte und eine immer wichtigere Position im Leben jedes Menschen bekam (z.B. zunächst Online-Banking), wurde versäumt, dieses Netz für Menschen technisch handhabbar zu machen, die keine 3jährige IT-Ausbildung haben und dafür auch keine Zeit, weil sie ja andere Berufe ausüben. Es wurde versäumt, es so zu vereinfachen und so sicher zu machen, dass die Anleitung zur sicheren Bedienung unter Beibehaltung der eigenen Freiheit im Netz wirklich in ein einziges Handbuch passt. Das ist das einzige echte Versäumnis, politisch und technisch.

        Ein Axiom ist: Alles, was technisch möglich ist, wird auch irgendwann von irgendwem gemacht. Und je länger wir Studenten von damals den technischen Entwicklungen zuschauten, desto wahrscheinlicher erschien uns die Idee, dass das auch jemand tun könnte. Wir ahnten das. Wir wussten es nicht, wir hatten keine Beweise. Bis letztens, als Edward Snowden sprach.

        • Richard schreibt:

          Wahre Worte. Auch ich war so ein Gopher-Student (und privat dann Compuserve) und habe diese Entwicklung so erlebt. Und mir geht es genau so wie Du es beschreibst: Die Ahnung existierte auch in mir schon länger. Doch der Beweis traf mich dann härter, als ich gedacht hatte. Die Welt wird nicht mehr dieselbe sein.

    • Petra schreibt:

      Ach, DIE Julia Schramm…
      Danke, man sollte immer erst richtig googeln.

      „Wir“ wussten es tatsächlich. Ich persönlich schon seit den 60er/70er Jahren. Mit einem Offizier zum Vater und Verwandtschaft in der „Ostzone“. Knacken im Telefon, offensichtlich geöffnete Pakete, extra lange Wartezeiten beim Grenzübertritt nach Ost-Berlin. Man verdrängt das irgendwann, als Kind sowieso. Bei meiner Einstellung zur Bundeswehr-Verwaltung mit 19 Jahren habe ich die 2 Stunden Befragung durch den MAD wahrscheinlich nur wegen erwiesener naiver Doofheit überstanden.
      Und wenn „wir“ es wussten, dann wussten es die Medien auch.

Willkommen!