Das Ende der gedruckten Zeitung kam wenig überraschend: 1987 erschien in meinem Kinderzimmer die letzte Ausgabe der „Nevada News“. 

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Der Anfang vom Ende

Als kleiner Junge besaß ich, wie jeder kleiner Junge in den 80ern, einen Commodore 64. Dazu zwei Kisten voll mit Floppydisks. Die krakelig beschrifteten Etiketten darauf wecken Erinnerungen an durchzockte Nachmittage und Nächte: Summer Games, Boulder Dash, Karateka, Barbarian, Gauntlet und natürlich Green Beret. Alles gecrackte Versionen, auf dem Schulhof getauscht, versteht sich. Und dann waren da zwei Disketten, die trugen Original-Aufkleber von der Firma Springboard Software: „The Newsroom“.

TheNewsroomPrähistorisches Desktop-Publishing

Prähistorisches Desktop Publishing

„The Newsroom“ – wie ich dieses Programm liebte! Nach heutigem Stand eine prähistorische Desktop Publishing Software, mit der man so etwas wie eine Zeitung erstellen konnte. Am „Copydesk“ tippte man die Texte. Im „Photo Lab“ ließen sich von der mitgelieferten Clip-Art-Diskette grobpixelige Bilder (damals unter der Bezeichnung: „High Res“ :-) dazu aussuchen. Im „Layout“ setzte man dann alles zusammen.

TheNewsroomSoftware

Über einen Okidata-Drucker, den ich im Jahr zuvor bei einem Preisausschreiben auf der Münchner Computermesse Systems gewonnen hatte, gingen meine Werke schließlich in Druck. Immerhin: Die Thermopapier-Rolle erinnerte – mit viel Phantasie – an eine Druckstraße.

Qualität hat einen Namen: Nevada News

„Nevada News“ hieß meine Zeitung, eine Hommage an einen USA-Campingtrip im Sommer 1983. Inhaltlich befasste sich das Redaktionsteam (= ich) mit den ganz heißen Eisen jener Zeit: Der Tod von Bobby Ewing (Aufmacher), im Medienteil eine Besprechung der Formel Eins (Fernsehsendung, nicht Autorennen) und im Kommentarteil kontroverse Auseinandersetzungen zu gesellschaftspolitischen Fragen, wie zum Beispiel der weitläufig unterschätzten Gefahr von Algebra für die schulische Laufbahn von Achtklässlern.

Erfolg ganz ohne Leistungsschutz

Die „Nevada News“ erschienen unregelmäßig bei einer Auflage von 7, in nachrichtenstarken Wochen sogar mit stolzen 9 Exemplaren. Neben meinen Eltern und meinem Bruder, der für den Abschluss eines Gratis-Abos meinen Original-WM-Lederfußball als Prämie verlangte, zählten Klassenkameraden wie Aurel, Zillo oder Felix zu den treuesten Lesern.

clipartEnde einer Ära

Irgendwann in den späten 80er Jahren folgte die Ernüchterung: die Auflagenzahlen brachen ein. Zum einen, weil ich feststellen musste, dass viele meiner Zeitungen ungelesen im Papierkorb landeten. Zum anderen, weil ich schlicht und ergreifend die Lust am Zeitungmachen verloren hatte.

Irgendwie waren die Layout-Möglichkeiten von „The Newsroom“ doch sehr begrenzt. Die mitgelieferten Clip-Art-Bilder hatte ich bald alle durch und weitere Text-Bild-Scheren (ein Brotlaib neben einem Artikel über Boris „Bäcker“) wollte ich meinen verbliebenen beiden Stamm-Lesern nicht zumuten.1987 erschien die letzte Ausgabe der „Nevada News“. Der Anfang vom Ende deutscher Qualitätszeitungen.

Fortan verbrachte ich jede freie Minute damit, ein Computer-Spiel zu meiner neuen Lieblingsserie „Knight Rider“ zu programmieren. Doch das ist eine andere (Erfolgs-) Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

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12 Kommentare
  1. Petra schreibt:

    Die großen Zeitungsmacher waren also gewarnt… ;o))
    Hat Madsack damals noch nicht alles aufgekauft? Die „Nevada News“ hätten sicher damals den Gegenwert eines neuen Fußballs eingebracht.

  2. Jens Best schreibt:

    The Newsroom hat ich auch.

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