Wenn Anbieter und Kunden in Zukunft direkt kommunizieren, bleiben die Mittelsmänner oft auf der Strecke. Was eine Taxi-App mit dem Zeitungssterben, mit dem Leistungsschutzrecht und mit der Zukunft des Journalismus zu tun hat.
Auf meinem Smartphone befinden sich aktuell 243 Apps. 243 kleine Helferlein, die mein Leben mehr oder weniger bereichern. Web-Browser und RSS-Reader, um informiert zu sein. Spiele-Apps, um Wartezeiten zu überbrücken, Social-Media-Apps, um mit anderen Menschen in Kontakt zu bleiben. Und dann gibt es Apps, die wirklich Spaß machen und auf die ich nicht mehr verzichten will.
MyTaxi ist so eine App. Dieses kleine, unscheinbare Programm ist so simpel wie genial: Nur zweimal auf einen Knopf drücken, und das Taxi kommt. Das Smartphone ermittelt den aktuellen Standort, gleicht die Koordinaten mit verfügbaren Taxis in der Umgebung ab und informiert Fahrer über den neuen Auftrag. Seit Sommer kann man über die App sogar kinderleicht bezahlen.
Keine Diskussionen mehr über zu große Scheine oder dass der Kreditkartenleser (angeblich) mal wieder nicht funktioniert. Keine nervtötenden Warteschleifen mehr am Telefon, bis endlich jemand abhebt und meine Bestellung entgegennimmt. Kein Füße-in-den-Bauch-stehen und sich wundern, wo denn bloß das Taxi bleibt. In einem Wort: genial.
Genial für den Kunden – genial für die Taxifahrer. Weniger genial für die Mittelsmänner, die Telefonisten in den Taxizentralen, die in Zukunft nicht mehr gebraucht werden. Womit wir beim eigentlichen Thema sind.
Am Freitag ist im Deutschen Bundestag das Leistungsschutzrecht verabschiedet worden. Es ist schon viel über die Lobbyschlacht rund um dieses Gesetzesvorhaben geschrieben worden. Und noch ist das Machwerk nicht durch den Bundesrat. Man kann nur hoffen, dass das LSR ein ähnliches Schicksal ereilen wird wie einst die Netzsperre, ein Gesetz, das allen Beteiligten hinterher derart peinlich war, dass es vom Bundespräsidenten nie unterschrieben wurde kein Jahr später von denjenigen, die es einst eingebracht hatten, selbst wieder aufgehoben wurde (vgl. http://gutjahr.biz/2013/03/hallo-taxi/#comment-34294)
Wenn neue Technologien ganze Berufszweige überflüssig machen, knirscht es im Getriebe. Dann ist 1 + 1 nicht länger 2, dann werden selbst banalste Realitäten wie das Gesetz der Schwerkraft mit einem Mal ausgeblendet. Und manchmal auch der Verstand.
Plötzlich fordern diejenigen, die sonst immer für weniger Regulierung eintreten, ein bedingungsloses Grundeinkommen, singen Union und FDP vereint mit Springer, Burda und dem BDZV die Internationale.
Natürlich wissen die Verlagsmanager, dass an ihrer Rechnung etwas nicht stimmen kann. Dass es keinen Sinn macht, dass derjenige, der den Verlagen Kunden bringt, plötzlich auch noch Geld dafür zahlen soll.
„Als würde ein Restaurantbesitzer Geld von den Taxifahrern verlangen, die ihnen Gäste bringen.“
Nur haben die Verlage den Web-Diensten Google & Co momentan kaum etwas entgegenzusetzen. Geld fordern für Ideen, die sie selbst nicht hatten. Das ist es, worum es beim Leistungsschutzrecht geht. Und weil im Herbst gewählt wird, traut sich kaum ein Abgeordneter des Döpfners alte Leier zu hinterfragen.
Nicht der Journalismus ist tot, sondern die Geschäftsmodelle. Man hätte diese Entwicklung erkennen und sozialverträglich begleiten können. App-Programmierer ausbilden, statt Taxi-Telefonisten. Datenjournalisten statt Warteschleifen-Musik-Komponisten. Hier haben übrigens nicht nur die Verlage geschlafen, sondern auch die Journalistenverbände, die über Jahre hinweg damit beschäftigt waren, die Zukunft zu bekämpfen, statt den Übergang ins Digitalzeitalter zu begleiten.
Das Leistungsschutzrecht, ein unheilvolles Gemisch aus Saturiertheit, Ahnungslosigkeit, und mangelnder Kreativität. Wenn Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner in diesem Zusammenhang davon spricht, dass Blogger die Verleger von morgen sind (bei 1:27:15), dann klingt das fast wie eine Drohung.
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[…] Auf den Punkt gebracht von Richard Gutjahr. […]