Die Operation „Four More Years“ ist geglückt. Parteistrategen in Deutschland blicken neidisch nach Washington und fragen sich: Wie hat Obama das wieder hingekriegt?
In den letzten Tagen hatte ich Gelegenheit, einigen Online-Wahlkämpfern über die Schultern zu schauen. Was ich gesehen habe, hinterließ mich teilweise ratlos. Dass Daten der Rohstoff der Zukunft sind, ist bekannt. Das Ausmaß, mit dem Behörden, Konzerne aber eben auch Parteien heute schon sog. „Datamining“ (Datenbergbau) betreiben, verschlägt mir die Sprache. So war es den Obama-Strategen für diese Wahl offenbar gelungen, Informationen aus mehreren, 2008 noch getrennten Datenbanken zu einer Gesamtdatenbank zusammenzuführen.
Die Megadatenbank
So erfährt man beispielsweise aus dem amtlichen Wählerregister, welcher Bürger wann und wie oft bisher gewählt hat. Diese Liste beinhaltet, neben Geburtsdatum und Wohnadresse, auch Telefonnummer sowie in manchen Staaten auch die Parteimitgliedschaft eines Bürgers. Eine zweite Datenbank besteht aus Daten, die ein Wähler selbst von sich preisgegeben hat, beispielsweise wenn er die Partei-Homepage oder die Facebook-Seite eines Kandidaten besucht/liked. E-Mail-Adressen, Kreditkartennummern (sofern Geld gespendet wurde), häufig angesteuerte Webseiten, sowie Informationen über Freunde oder Hobbys lassen sich von den Datenbergarbeitern leicht abtragen. Die eigenen Botschaften werden dann gezielt durch sogenanntes „reverse engineering“ in die Timelines der „gekaperten“ Freundeskreise platziert.
Eine weitere Quelle für personenbezogene Daten sind Informationen, die von Dritten beigesteuert werden. Obama-Unterstützer konnten sich beispielsweise eine App herunterladen, die Wähleradressen aus der Region bereitstellt. Damit konnten Freiwillige Wahlhelfer gezielt Hausbesuche bei noch unerforschten Haushalten machen und die dadurch neu gewonnenen Informationen aus der Nachbarschaft zurück ans Hauptquartier berichten. Damit nicht genug: Bei diesem Präsidentschaftswahlkampf haben beide Lager auch Verbraucherinformationen von Kreditkartenunternehmen und Adresshändlern hinzugekauft.
Zweck dieser Datensammelwut ist es, ein lückenloses Profil über potentielle Wähler zu erhalten. Dadurch lassen sich sog. Streuverluste minimieren und jedes Zielobjekt vermeintlich individuell ansprechen, -rufen, -schreiben.
Farewell, Datenschutz
Und der Datenschutz? Alec Ross, Social-Media-Berater von Hillary Clinton, appelliert an uns Deutsche, endlich unsere Datenschutz-Paranoia abzulegen: „Wenn Sie nicht wollen, dass Suchmaschinen Ihre Suchanfragen speichern; benutzen Sie die Suchmaschine nicht! Meiden Sie entsprechende Soziale Netzwerke!“ Genauso gut hätte er natürlich auch sagen können: Hören Sie auf zu atmen. – Wenn Ihr mich fragt, Recht hat er. Sauerstoff wird ohnehin überbewertet.
Meine gesammelten Texte zur US-Wahl findet Ihr hier im Blog von tagesschau.de
DataMining und Data Warehousing simd heute doch stand of the art. Das bekommt man als Informatiker im Master hinterher geworfen. Ich wundere mich persönlich nicht dass es im Wahlkampf eingesetzt wurde, sondern ehr wenn es das nicht wurde. Google, Facebook und Co nutzen das seit Jahren zB für das zielgerichtete Schalten von Werbung. Jeder Kauf landet in einem DataWarehouse und wird dort über Jahrzehnte zu Analysezwecke gespeichert. Jede Kaufhauskette analysiert mittels OLAP das Verhalten ihrer Kunden.
Du hast Recht: Data Mining an sich ist fast schon ein alter Hut. Die intelligente Verknüpfung und Nutzung der bislang getrennten Datenbanken war das eigentliche Thema dieser Kampagne.
Stimmt die Datenquellen sind nicht umbedingt alltäglich. Was mir auch stark auffällt ist, dass die Technik immer mehr, gerade die Smartphones, zum Drehn und Angelpunkt werden, auch von Datensammlern. Sicherlich eine lohnenswerte Quelle wenn man die Anzahl der iPhones und Android Geräte betrachtet. (Wobei gerade Android da sehr beliebt ist was Datenklau angeht Aufgrund der gegebem Freiheiten als Emtwickler und der Dummheit der Masse (siehe App Berechtigungen)).
Ich werde auf jedemfall mit Spannung betrachten wie solche Techniken in Zukunft in der Gesellschaft benutzt werdem. Bei uns richtigem Nerds und Geeks die Technik atmen und Software entwickeln, sind solche Geräte und die Möglichkeiten schon fast normal, zumindestens in meimem Umfeld in der Uni. Datenschutz wird da immer mehr eine Rolle spielen, aber solange die breite Masse nicht weiß wieso es nötig ist und dass Bilder auf Facebook zB für immer sind… sehe ich ehr schwarz.
Nach meinen Gesprächen hier neige ich dazu, das Thema Datenschutz komplett in den Wind zu schießen. Was hier geschieht, lässt sich (zumindest in den nächsten Jahren) nicht mehr zurückdrehen. Das werden wir in good old Germany/Europe nicht aufhalten können (wollen?).
Ich tendiere zu „nicht wollen“. Denn wenn der Datenschutz innovative Konzepte wie „Bring Your Own Device“ verhindert (um nur ein für mich aktuelles Beispiel zu nennen), dann sollte man sich überlegen ob es nicht auch manchmal zuviel sogenannter Schutz ist.
Ach ja, Amerika ist aber auch das absolute Extrem, was nicht vorhandenen Datenschutz angeht. Deutsche denken halt immer, Amerikaner wären wichtig und daher alles Amerikanische nachahmenswert. Deshalb rennen sie ja auch in Bubble-Tea-Läden, sorry „-Stores“, und denken es sei ein Trend.
What’s the point? Große Daten, die gut verknüpft sind, sind „WOW!“. Data Mining dieser Größenordnung ist aber in erster Linie eine Frage des Geldes, eine derartige Datenbank als Crowdsourcing zu veröffentlichen beispielsweise wäre selbst in den USA verboten. Dort ist übrigens auch vollautomatisches Facebook-Scrapen verboten, sofern keine Erlaubnis via Auth Token (d.h. App) gegeben wurde.
http://petewarden.typepad.com/searchbrowser/2010/04/how-i-got-sued-by-facebook.html
Jedes FB-Scrapen gleicht daher einem Ritt auf der Rasierklinge, und FB ist derzeit nur zu beschäftigt mit Expansion und Lobbyismus, als kleine Bots mit großen Klagen zu überziehen. Frag mal die Schufa, was sie sich bei ihrer HPI-Aktion gedacht haben – vermutlich gar nix. Im Zweifel hätte einfach ein Zuckerberg-Anwalt die Sammelwut der Schufa gestoppt.