Das Internet ist böse. Ein rechtsfreier Raum. Macht funktionierende Geschäftsmodelle kaputt. Heult doch! Man kann sich der Zukunft aber auch stellen und einfach mal was neues ausprobieren – genau das tut jetzt ZDFneo mit dem TVLab: 10 TV-Formate zur Abstimmung. Dazu ein Blog. Hier ein Auszug aus meinem Gastbeitrag.
Die Ära der Massenmedien – nur eine Laune der Geschichte?
Bislang sind wir davon ausgegangen, dass Medien in der Regel in eine Richtung funktionieren, und zwar von oben nach unten. So sind wir aufgewachsen, so sind wir sozialisiert worden. Historisch betrachtet ist das aber eine Anomalie. Wenn man sich vor Augen führt, wie kurz die Periode der Massenmedien erst andauert, könnte man zu dem Schluss kommen, dass es sich bei dieser Ära lediglich um eine Episode handelt, eine Laune der Geschichte. Zeitungen und Rundfunk waren Ausdruck einer Zeit, in der kostenintensive Produktionsmittel, Druckerpresse oder Funkmasten, maßgeblich Voraussetzung dafür waren, Kommunikation im breiten Stil auszuüben. Sendezeiten und Seitenzahlen waren begrenzt, es handelte sich um ein geschlossenes System von Gatekeepern, das über die Auswahl und Tendenz der Inhalte wachte. Diese Meinungsmacht war so gewaltig, dass sie alle bisher bekannten Formen der Kommunikation überstrahlte. „Zum Regieren brauch ich Bild, BamS und Glotze“ soll Gerhard Schröder einmal gesagt haben. Was im Fernsehen nicht auftauchte, fand quasi nicht statt.
Wand-Inschrift im Newseum, Washington D.C.
Die Medien der Massen
Betrachten wir die Anfangsjahre des Webs genauer, so lassen sich Parallelen zu der Zeit vor den großen Massenmedien erkennen: Online-Foren als Äquivalent zu den Basaren oder auch Marktplätzen, auf denen nicht nur Waren, sondern auch Informationen getauscht wurden. Chatrooms als virtuelle Café- und Gasthäuser, in denen diskutiert und gestritten wurde, Pamphlete und Flugschriften als Vorläufer von Blogs. Vor den Murdochs und Rundfunkstaatsverträgen war Kommunikation unmittelbarer, chaotischer, vor allem aber dezentraler – genau wie das Web. Und: Kommunikation lebte weitestgehend von der Beteiligung der Menschen.
Die Massenmedien hingegen haben Interaktion oft nur vorgetäuscht, das Studio-Publikum zum Klatschvieh degradiert, den Zeitungsleser zum einsamen Leserbriefschreiber (dessen Meinung manchmal abgedruckt wurde, meistens jedoch nicht). Wer schon mal in einer Print-, Radio-, oder TV-Redaktionen gearbeitet hat, kann bestätigen: Zuschriften und Anrufe von Lesern/Hörern/Zuschauern sind vor allem eines – lästig. Kritik an unseren wertvollen Sendungen oder Artikeln wird ohnehin nicht gern gesehen. „Wo kämen wir dahin, wenn jetzt schon der Zuschauer bestimmt, worüber wir berichten sollen!“, hatte das mal ein Kameramann unterwegs zu einem Drehtermin auf den Punkt gebracht.
„Wenn man die Menschen so an Dreck gewöhnt, dass sie irgendwann Dreck sehen wollen, wenn das moralische Empfinden der Menschen so konsequent und systematisch kaputt gemacht wird, dass sie’s irgendwann völlig normal finden, wenn’s im Fernsehen nur Talk-Trash-TV-Scheiß und Titten zu sehen gibt!“
Moritz Bleibtreu in „Free Rainer – Dein Fernseher lügt„
Trauriger Geburtstag
Vergangenes Wochenende hat das Web seinen 20. Geburtstag gefeiert. Aus deutscher Sicht eine traurige Veranstaltung, denn bislang haben unsere großen Medienhäuser zum digitalen Zeitalter wenig beigesteuert. Kommunikationsformen wie Blogs, Facebook und YouTube wurden über Jahre hinweg belächelt, neue Kulturtechniken wie Community-Management, Crowdsourcing, Datenjournalismus in den Redaktionen sträflichst vernachlässigt. Wir Medienmacher rühmen uns gerne für unseren Qualitätsjournalismus. Doch wenn wir ehrlich sind, waren die einzigen, die bislang wirklich für Orientierung im Netz gesorgt haben, Google & Co.
Apps sind die neue Bratpfanne
Fast zwei Jahrzehnte haben wir damit verschenkt, Scheingefechte z.B. über eine Bratpfanne im öffentlich-rechtlichen Online-Shop zu führen.. Aktuell schlagen wir uns die Köpfe ein über eine Tagesschau-App – willkommen in der Matrix!. Mit Verwunderung nimmt die Öffentlichkeit zur Kenntnis, dass sich Springer-Presse und ARD offenbar für eine Schlammschlacht rüsten. Sollte es zutreffen, dass Redaktionen auf beiden Seiten Material sammeln, um den Gegner öffentlich durch den Kakao zu ziehen, so haben wir Medienleute uns spätestens an diesem Zeitpunkt vom Journalismus verabschiedet, dann geht es nicht länger um das Publikum, sondern nur noch um uns selbst (…)
Den kompletten Text gibt es im ZDFneo TV-Lab-Blog – zusammen mit Texten von Jan Böhmermann, Christian Ulmen, Hajo Schumacher u.v.a.
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