Das Bayerische Kultusministerium verteilt in den Grundschulen Broschüren zum Thema Medienerziehung. Der Inhalt: Zeitungen sind gut, Blogger blöd, und diesem Internet ist ohnehin nicht zu trauen! Drollig: hinter diesem Machwerk steckt kein geringerer als der Verband Bayerischer Zeitungsverleger.

Liebe Kinder,

heute will ich Euch etwas über Medien beibringen. Da gibt es gute Medien, das sind die Zeitungen, und böse Medien, dazu gehört das RTL-Dschungelcamp und auch das Internet. Wie Ihr wisst, verschickt das Bayerische Kultusministerium seit kurzem eine gelbe Broschüre mit einem lustigen Löwen drauf. Diese „Unterrichtseinheit“ trägt den Titel. „Schau genau hin – Nachrichtenwege erkennen und bewerten„. Es soll digitalen Eingeborenen wie Euch erklären, dass Zeitungen stets die Wahrheit schreiben und dass man diesem „Internet“ bloß nicht über den Weg trauen darf!

In einem Comic könnt Ihr spielerisch erfahren, wie fleißige Zeitungs-Journalisten sorgfältig recherchieren, während blöde Blogger wie „Bernd“ einfach nur schreiben, was sie wollen! Dabei macht der Blogger natürlich grobe Fehler und verdreht, anders als ein Journalist, total die Tatsachen. Blöd wie Bernd eben.. Natürlich kann auch ein Journalist mal was falsch verstehen, heißt es in der Broschüre. Falschmeldungen in der Zeitung werden in der Regel aber sofort korrigiert, was Euch jeder, der selbst schon mal Opfer einer Ente geworden ist, sicher sofort bestätigen kann!

Wie verlogen dagegen dieses fiese Internet ist, das seht Ihr ja auch gerade in Ägypten. Dort berichten so blöde Blogger von Massendemonstrationen, wo doch im Staatsfernsehen gar nichts davon zu sehen ist! Auch in den Zeitungen steht nichts von Protesten. Und die müssen es ja wissen, schließlich werden in Kairo die Chefredakteure vom Präsidenten persönlich ausgesucht (nicht etwa so wie bei uns)!

Und dann, dann lernt Ihr noch etwas: Es ist wichtig, bei Texten auf die angegebenen Quellen zu achten! Wenn Ihr das gleich mal bei dieser „Unterrichtseinheit“

probiert, werdet Ihr feststellen, dass diese lustige Broschüre gar nicht aus dem Kultusministerium stammt, sondern vom VBZV, dem Verband Bayerischer Zeitungsverleger. Und wie jedes Kind weiß, ist der VBZV ein ganz lieber Verein, der auch keinerlei eigene Interessen verfolgt, sondern allein das Wohl der Menschen im Auge hat. – Wie, liebe Kinder, das glaubt Ihr jetzt nicht? Braucht Ihr auch nicht. Steht ja nur im Netz.

Alle Textzitate und Illustrationen stammen aus der Broschüre „Schau genau hin! – Nachrichtenwege erkennen und bewerten“

Blogempfehlungen zum Thema:

Stefan Niggemeier: Wie die Print-Lobby Kinder indoktriniert

Gute Nachrecherche von Gunnar Sohn: Bernd, der blöde Blogger und die seriösen Zeitungsnachrichten

Riesen-Respekt an die. Münchner Abendzeitung, die diesen Artikel in ihrer neuesten Ausgabe abgedruckt hat!


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18 Kommentare
  1. Raoul schreibt:

    Eigentlich lustig, aber weil es so plump ist schwingt auch ein Hauch von Mitleid mit. Den Verlagen gehen scheinbar langsam die Argumente aus und nun versuchen sie gerade die Zielgruppe zu adressieren, die sich ohnehin mehr im Netz bewegt und ihre eigene Meinung darüber bilden als die ältere Generation, die ohne Internet aufgewachsen ist.

    • Richard Gutjahr schreibt:

      @Raoul Ich frag mich immer wer so etwas abnickt. Kostet doch ein Schweinegeld so eine Kampagne!

  2. Enrico schreibt:

    Und da soll nochmal einer sagen dass die Verleger nicht an die Zukunft denken :D

    Wenn unsere selbsternannte „Blogger-Elite“ nicht ständig sinnfreie Kleinkriege ausführen würde könnte man sogar außerhalb dieses Mikrokosmos für nachhaltiges Interesse sorgen….

Willkommen!