Gestatten, ich bin der Apple-Fanboy, wahlweise auch -Jünger. Nicht, dass ich damit Probleme hätte. Ich finde Apple klasse und ich stehe dazu. Was mich befremdet: die allgegenwärtige Doppelmoral, mit der viele meiner Journalisten-Kollegen Apple-Fans einerseits als Spinner abstempeln und im gleichen Atemzug jenen Hype, den sie öffentlich anprangern, selbst erst erzeugen. Beispiel: die jüngste SPIEGEL-Titelstory.
Liebe auf den ersten Klick
Meine erste Berührung mit der Firma Apple war Mitte der 80er Jahre. Mein Vater hatte sich einen Mac gekauft. Für’s Büro, von seinem eigenen Geld. 8.000 Mark hat dieser Schuhkarton-große, beige Kasten gekostet. Heute weiß ich:. er war jede einzelne Mark davon wert!
Ich war 11 Jahre alt. Schon mit dem ersten Klick war es um mich geschehen: Einen PC mit Maus und Pfeil zu bedienen, Programme durch Doppelklick zu öffnen und wieder zu schließen. Selbst wenn die grafische Oberfläche, wie ich später erfuhr, ursprünglich von Xerox stammte; Apple hatte diese Technik zum Leben erweckt und ein Produkt geschaffen, das es binnen kürzester Zeit von Amerika bis ins Büro meines Vaters schaffte. So fing alles an.
Benutzte ich den Mac zunächst nur zum Malen oder zum Spielen, so entdeckte ich schon bald die neuen Einsatz-Möglichkeiten für Schule und später auch für den Beruf. Mit Pagemaker von Adobe entwarf ich die Abiturzeitung („Desktop-Publishing“ war damals noch ein Fremdwort). Mit ProTools produzierte ich Comedy-Hörspielreihen und finanzierte damit mein Studium.
Heute schneide ich mit FinalCut Pro meine Fernseh-Beiträge für BR und ARD.
So wie mir ging es vielen Fanboys. Der Mac hat uns unser halbes Leben lang begleitet. Nur selten hat er uns im Stich gelassen. Dass wir von Windows-Usern als „Spinner“ und „Geldscheisser“ verspottetet wurden, störte uns nicht. Im Gegenteil: Insgeheim freuten wir uns sogar darüber, unterstrich derlei Häme doch unsere Stellung als technisch-künstlerische Avantgarde.
Gemischte Gefühle
Wenn Apple jetzt also wieder mal ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, verfolge ich die Berichterstattung mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite freut es mich, dass der Computer-Underdog in den Massenmedien Anerkennung findet. Gleichzeitig wundere ich mich aber auch über die nahezu kritiklosen Titelgeschichten und Fernsehberichte überall.
Nehmen wir die Titelstory im aktuellen SPIEGEL. Schon richtig, es gibt darin so manche kritische Spitze. Doch machen wir uns nichts vor: der Text ist eine 10-seitige Hommage an Apple und Steve Jobs. Eine Form von Anbiederung, wie man sie im SPIEGEL sonst. nur selten liest und die sogar mir, dem Apple-Fan, stellenweise die Schamesröte ins Gesicht treibt. „Scheindistanz“, wie das der Artikel sogar selbst formuliert, gemeint sind natürlich andere Publikationen.
Dabei gäbe es über Apple auch eine Menge anderer Geschichten zu berichten: zum Beispiel über eine ganze Reihe von Flops, die Apple produzierte (u.a. Newton, Cube, Apple TV). Falsche Prognosen, die Jobs immer wieder machte („People don’t read anymore“). Die Stasi-ähnlichen Methoden, mit denen die Firma angeblich immer wieder versuchen soll, Mitarbeiter oder Kunden (explodierte iPods) mundtot zu machen. Die Überprüfung solcher Geschichten erfordert natürlich eine gründliche Recherche. Doch kaum eine Qualitätszeitung scheint sich diese Mühe noch zu machen.
Dem SPIEGEL war heiß und Schatten gab es auch keinen
Stattdessen zitiert der SPIEGEL fast über die gesamte erste Seite seiner Titelstory jene Heldenreise von Steve Jobs, die der Apple-Boss einst vor der Abschlussklasse von Stanford erzählte. Offensichtlich wurde die komplette Passage Wort für Wort aus einem YouTube-Mitschnitt abgeschrieben. Durch Passagen wie „Es war heiss, kein Schatten im Stadion von Stanford“ wird suggeriert, dass der SPIEGEL live dabei war. Möglich. Aber war das auch tatsächlich so? Vergessen wurde jedenfalls zu erwähnen, dass jene Rede fast 5 Jahre zurück liegt.
Doch genug der journalistischen Taschenspieler-Tricks. So richtig peinlich wird es, wenn sich Herausgeber wie Frank Schirrmacher oder Verleger wie Mathias Döpfner in Sachen iPad zu Wort melden:
„Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet.“ (Döpfner)
Will mir hier jemand meinen Fanboy-Titel streitig machen?
Bin ich die Henne – oder das i ?
Rückblende. Der iPad-Verkaufsstart in New York. „Halten Sie es nicht für bedenklich, dass Sie sich als Journalist zum Werbeträger für Apple machen?“ fragt mich die Stern-Reporterin, als ich mit dem iPad aus dem Apple Store marschiere. Ich starre in die Objektive der über 200 aus aller Welt angereisten TV-Networks und Fotografen und weiß in dem Moment gar nicht was ich sagen soll. Wer macht hier eigentlich die Gratis-Werbung? Bin ich die Henne – oder das i ?
Making of a hype: Apple-Fanboy (links) Qualitätsmedien (überall)
Doppelt hält besser – das gilt auch für die Moral
Doch drehen nicht nur die Klassischen Medien manchmal am Rad. Nach meinem New-York-Experiment stoße ich auf den Text eines mir nicht näher bekannten Journalisten und Bloggers. Der vergleicht mich öffentlich mit einer digitalen Rampensau, bezichtigt mich der zweifelhaften Apple- und auch Selbst-PR.
Wenig später stoße ich auf den Tweet eben jenes selbstlosen Chef-Anklägers:
Und wie ich so mein MacBook zuklappe und den SPIEGEL zur Seite lege, denk ich mir, wie schön es doch ist, manchmal einfach nur ein Fanboy zu sein ;-)
Naja, also ganz abstreiten kannst du nicht das du erst durch den kauf des iPads bekannt geworden bist, vorher kannte ich deine seite jedenfalls nicht und hab auch nie was von gehört.
Abgesehen davon stört es mich das wenn man dir über twitter nachrichten schreibt, mit Fragen bzw. des iPads oder sonst was, wenn du mal wieder etwas twitterst, so gut wie NIE eine antwort bekommt. Daran solltest du arbeiten sonst laufen dir die leser weg.
mfg iptoux
@iptoux Du hast Recht, dass ich Käufer Nummer 1 war, machte mich bekannt. Geplant war das nicht – dagegen gewehrt aber habe ich mich auch nicht. Warum auch? Wenn man soviel Freizeit in seinen blog steckt, will man ja auch gelesen werden. Ausserdem war die Story „Erstes iPad geht nach Bayern“ einfach zu gut! ;-) Zu den Twitter-Fragen: wenn man mir etwas NICHT vorwerfen kann, dann etwa, dass ich nicht auf Fragen eingehe. Bis zum heutigen Tag habe ich Hunderte (!) Fragen zum iPad beantwortet, Fotowünsche von pers. Homepages auf dem iPad erfüllt und Berichte verfasst, die auf Twitter-Fragen basieren. Dass man mal eine Frage übersieht, liegt in der Natur des Mediums. Ich bin nur ein Mensch, der nebenbei auch noch einen (ziemlich anstrengenden) Beruf hat.
Guten Morgen. Schön, dass die Diskussion weiter geht. Die Spiegel Titelstory ist in der Tat ein Witz. Dagegen beziehen Sie wenigstens öffentlich Stellung und machen keinen Hehl daraus, richtig. Ob ich das so gut finde, steht an anderer Stelle, aber heute sind wir doch schon fast einer Meinung. Dennoch – 3 Dinge möchte ich kurz anmerken:
1) Ich wollte lediglich eine Diskussion anregen, die fragt, inwieweit Journalisten in ihrer – sehr bewusst öffentlich inszenierten – Freizeit so klar Farbe bekennen dürfen wie Sie es getan haben/ tun. Dabei macht es für mich keinen Unterschied, ob ein Produkt von Apple abgefeiert wird, ein Fussball- Verein Support erfährt oder eine Partei hofiert wird.
2) Der Begriff „digitale Rampensau“ stammt wohl eher von Ulrike Langer von medialdigital.de, wenn ich die Diskussion richtig in Erinnerung habe…
3) Natürlich freue ich mich darüber, dass sich viele Menschen für meine Kritik an Ihrer Ipad-Intheline-Story interessiert haben. Das müssten Sie doch bestens nachvollziehen können, da nur so überhaupt eine Diskussion entstehen kann. Und wenn wir sportlich bleiben, dann habe ich doch sowieso haushoch verloren ;) Das hatte meines Erachtens nun wirklich gar nix mit Doppelmoral zu tun.
Gern möchte ich aber erneut auf die Diskussion verweisen, die aus Ihrer Aktion resultierte und von Ihnen heute – aus gegebenem Anlass versteht sich – wieder aufgenommen wird. Es ging ja nicht darum, Ihnen persönlich ans Bein zu pinkeln ;)