Das Internet killt Umsätze und Geschäftsmodelle. Hollywood, die Musikindustrie und Zeitungsverleger – keiner ist vor ihm sicher. Doch statt zu handeln, reagierten die Platzhirsche bislang wie die Opfer in einem drittklassigen Teenie-Horrorfilm: sie liefen davon und hofften, dass der Spuk bald vorbei ist. In den USA formiert sich jetzt angeblich eine verlagsübergreifende Allianz, plant ein „iTunes für Magazine“. Hat der Horrror bald ein Ende?

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Ich kontrolliere die Fenster, schaue unter das Bett. Ich sperre die Haustür von innen ab. Das Licht im Flur bleibt die ganze Nacht über an. Kein Witz, am Samstag habe ich „Paranormal Activity“ gesehen, seitdem schlafe ich schlecht. Selten hat mich ein Film so verfolgt. Und ich schaue viele Filme, teure Filme. Doch dieser Film ist anders.

Wie Blair Witch Project vor zehn Jahren funktioniert dieser Film auch ohne aufwendige Spezialeffekte oder teure Schauspieler. Tatsächlich wurde der Streifen von einem Hobbyfilmer mit einer einzigen Videokamera gedreht. Keine 15.000 Dollar soll die Produktion gekostet haben. Wer den Film gesehen hat, glaubt das sofort.

Und doch zieht Paranormal Activity von der ersten Minute an in den Bann. Die Idee dieses Films ist so stark, dass selbst unser deutscher Master of Desaster, Roland Emmerich, mit seinem 250 Millionen Dollar Spektakel „2012“ wie ein Amateur aussieht.

Was ist es, was im Web 2.0-Zeitalter Erfolg hat? Eine schlechte Idee wird sicher nicht dadurch besser, dass man sie online stellt oder mehr Geld in sie steckt. Im Gegenteil: miese Qualität und lieblos produzierte Inhalte fliegen heute schneller auf als bisher – Twitter, Facebook und Co machen es möglich. Derweil jammern die Studiobosse, Senderchefs und Verleger, dass ihre Umsätze einbrechen, ihnen das Publikum abspenstig wird. Kinos müssen schließen, Werbeblöcke dünnen aus, die Anzeigenverkäufe gehen zurück. Ob das auch an den eigenen Versäumnissen liegen könnte? Blödsinn. Schuld hat wie so oft der Überbringer der Nachricht, das Internet.

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Der Wandel als Horrorfilm

Wenn der Medienwandel ein Horrorfilm wäre, so ergäbe sich bislang der folgende Plot: Unsere Geschichte spielt in einer Kleinstadt, nennen wir sie Global Village. Es heißt, ein Fluch liegt über dem Ort. Alle 50 Jahre wird die Region von einem neuen Monster heimgesucht. „Soll es nur kommen!“, höhnen die Bewohner. Und das Monster kommt. Wie in jedem guten Horrorfilm hat das Grauen auch einen Namen: Freddy Kruger, Michael Myers – in unserem Fall: Gugel.

Der Sage nach verliert jeder Mensch sofort den Verstand, der vom Gugel-Dämon befallen wird (erste Symptome: der Betroffene hört auf, gedruckte Zeitungen zu lesen). Die Verleger spotten: „Alles Unsinn, Gugel gibt es nicht!“. Doch immer mehr Zeitungen bleiben liegen. Zweifel kommen auf: „Eine momentane Krise. Sowas geht wieder vorbei!“ Dann – die ersten Opfer. Statt teurer Werbung plötzlich nur noch Todesanzeigen. Schockstarre.

scary elevatorDer Sherrif von Global Village fackelt nicht lange: zusammen mit ein paar Freiwilligen versucht er das Monster zu bekämpfen, indem er erstmal jeden Dorfbewohner einbuchtet, der Texte, Filme und Musik illegal aus dem Internet runterlädt. Als das nicht hilft, weil es inzwischen zu viele Gugel-Besessene gibt, verbarrikadieren sich die Verteidiger des Abendlandes mit ihrem Hab und Gut hinter einer Paywall.

Wer schon mal einen Horrorfilm gesehen hat, weiß was jetzt kommt: das Monster findet trotzdem einen Weg. Die Opfer sitzen in ihrer selbst gebauten Falle und werden einer nach dem anderen dahingemeuchelt.

iTunes für Zeitschriften?

Die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger taten bislang alles, um ihren eigenen Kunden das Leben/Lesen zur Hölle zu machen. Sie errichten komplizierte Bezahlmodelle und erschweren den Zugang. Sie verlangen Mondpreise für Artikel (z.B. die Frankfurter Allgemeine: 2 Euro pro Einzel-Artikel für eine Nutzungsdauer von 24 Stunden). Zur Krönung lassen sie sich noch aus Google löschen, damit sie auch ja keiner findet (Murdoch), bzw. kastrieren ihre freien Angebote für das iPhone (Springer).

Wie seinerzeit die Musikindustrie backen die Verleger, jeder für sich, an eigenen Micro-Payment-Systemen, die so umständlich und benutzerfeindlich sind, dass sie von vorne herein zum Scheitern verurteilt sind.. Statt nach echten Alternativen zu suchen, tun sie alles, um ihre alten Bezahlmodelle am Leben zu halten. Lieber soll sich die ganze Welt ändern, als sie selbst.. Ob die Schmerzen inzwischen groß genug sind, für eine verlagsübergreifende Allianz, wie jetzt aus den USA berichtet wird?

Dass es auch anders geht, hat ausgerechnet der Computerbauer Apple bewiesen. Immer und immer wieder erfindet sich dieses Unternehmen neu. Mit iPod und iTunes hat Steve Jobs die Musikindustrie revolutioniert, mit iPhone und AppStore die gesamte Telekommunikationsbranche auf den Kopf gestellt. Demnächst rettet man. vielleicht. auch noch die Zeitungsverleger mit einem Tablet-Reader und dem dazugehörigen elektronischen Zeitungskiosk? Steckt hinter dem zitierten „iTunes für Zeitschriften“ am Ende gar der Computerbauer aus Cupertino?

ZombieHappy End?

Ich persönlich glaube nicht, dass das Gugel-Monster alle anderen Medien dahinraffen wird, dass Verlage oder Fernsehsender dem Untergang geweiht sind. Im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, wenn sich erst einmal der Nebel gelichtet hat, werden die Verlage und Sender besser dastehen als je zuvor (siehe dazu . auch mein letzter Blogeintrag). Die Erkenntnis scheint sich allmählich durchzusetzen, dass der Wandel größer ist, als die Verleger bisher angenommen haben. Dass selbst die mächtigsten Tycoone und Medien-Mogule sich zusammenraufen müssen, um zu überleben. Für Manche mag diese Einsicht zu spät kommen. Doch manchmal ist es besser, am Ende eines Films die eine oder andere Hauptfigur einfach sterben zu lassen. Es werden neue kommen.

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2 Kommentare
  1. Inge schreibt:

    Vielleicht solltest Du öfter in Horrorfilme gehen. Guter Vergleich!

  2. Ti_Leo schreibt:

    Sehr guter Vergleich, sehr guter Artikel! Aussterben werden die Verlage wohl nicht, aber es wird sich für sie voraussichtlich arg danach anfühlen.

    Ti

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