Zurück vom Süddeutschen Journalistentag in Mainz. Ein Tag, der gezeigt hat, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Ein Tag aber auch, der Hoffnung gemacht hat: selten bin ich bei einer Konferenz des DJV auf soviel Neugier und offene Ohren gestoßen. Jung und alt, Neue und Klassische Medien, Erfahrung und Experimentierfreude – das Ende des Digitalen Grabens?

„Welche Video-Kamera benutzt Du?“ fragt mich eine Bildjournalistin. „Was kostet mich die Grundausstattung, wenn ich multimedial arbeiten will?“ möchte ein anderer wissen. Glaubt mir: Ich habe in den letzten Jahren viele, viele Medien-Konferenzen besucht. Der Süddeutsche Journalistentag in Mainz war das erste Treffen, bei dem ich das Gefühl hatte: es tut sich was.

von links: Moderatoren Peter Jebsen und Heike Rost an der Seite von Björn Eichstädt und Amir Kassaei

Vielleicht liegt es an der rheinland-pfälzischen Verbandsleitung, die das Thema pusht und dem Internet nicht feindlich gegenüber steht. Vielleicht liegt es an der Einsicht vieler Macher, dass es Quatsch ist, sich noch länger zu bekriegen. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, dass die Menschen spüren, unsere Digitaluhren zeigen alle die gleiche Zeit: 11:55 Uhr – oder analog: 5 vor 12.

Wir haben nur dann eine Chance, auf dem neuen Medien-Markt zu bestehen, wenn wir all unser Wissen und Know-How zusammenwerfen – statt uns an alten Jobbeschreibungen und Tarifmodellen festzuklammern. Den Kurs, den viele Verlags-, Sender- und Verbandsfunktionäre über Jahre hinweg verfolgt haben, halte ich für zerstörerisch.

Amir Kassaei, Rockstar am deutschen Werbehimmel (gutes Portrait im Handelsblatt), formulierte das im Crossmedia-Panel so: „Wir denken nicht radikal genug. Wenn wir weiter so vor uns her wurschteln, wie wir das bisher getan haben, werden wir untergehen.“ (Er bezog das sowohl auf den Journalismus als auch auf die Werbebranche)

Björn Eichstädt, Neurobiologe, Künstler und Chef der PR-Agentur Storymaker, stieß ins gleiche Horn: „Wir denken nicht groß genug“ sagte er. „Wo sind denn die großen Ideen und Innovationen aus Deutschland, die auf ein weltweites Publikum zielen?“ Der Modertor will wissen, welche Firma das denn am besten verstanden hat: „Apple“ sagt Ibrahim Evsan trocken. Nur dort habe man begriffen, dass es auf das perfekte Zusammenspiel von Hardware, Software und Inhalten ankommt.

Übertragen auf eine Zeitungsredaktion oder Sender: nur wenn Ausbildung, Infrastruktur und Inhalte stimmen, haben wir als Journalisten eine Chance. Lasst uns den Graben endlich zuschütten und an die Arbeit gehen. Es gibt viel zu tun.

Amir Kassaei: „Journalisten haben vergessen, was ihr Job ist: Inhalte zu produzieren, die so gut sind, dass die Leute bereit sind, dafür Geld zu zahlen. Erst kommt das Produkt, dann die Erlöse, nicht umgekehrt!“

Lesetipps: Wolfgang Blau (Zeit Online) bei sueddeutsche.de „Dem Journalismus geht es erstaunlich gut“ aus der Reihe „Wozu noch Journalismus“ – und: Moritz Meyer (Rhein Zeitung) „Schockstarre überwunden: Der SDJT in Mainz“


Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Bitte unterstützen Sie mein Blog mit einer Spende.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Notwendige Felder sind mit * markiert.

8 Kommentare
  1. […] auf dem Süddeutschen Journalistentag 2010. Mehr auch im Blogbeitrag von Richard Gutjahr: “Das Ende des Digitalen Grabens?” und im Volo-Blog der Rheinzeitung (Moritz Meyer). Share and […]

  2. […] erfreulich war das Fazit von Richard Gutjahr, das er in seinem Blog unter der Überschrift „Journalistentag: Ende des Digitalen Grabens?“ folgendermaßen zog: „Glaubt mir: Ich habe in den letzten Jahren viele, viele […]

Willkommen!