Heute vor einer Woche hat in Japan die Erde gebebt. Blankes Entsetzen beim Anblick der apokalyptischen Bilder, auch in Berlin. Die Bundesregierung hat reagiert und wenige Wochen vor den Landtagswahlen eine mutige Entscheidung getroffen: Abwarten.

Moratorium – für mich schon jetzt das Unwort des Jahres. Man hätte es auch anders ausdrücken können: „Wir werden bis zu den Wahlen vorübergehend – ich betone: vorübergehend auf die Laufzeitverlängerung verzichten“. Aber man wollte sich wohl nicht schon wieder bei Copy & Paste erwischen lassen. Im Übrigen: Moratorium (lat. morari „verzögern“, „aufschieben“) klingt ja auch gleich viel besser als: „Liebe Wähler, es tut uns leid, wir haben mit unserer Energiepolitik über Jahrzehnte hinweg ordentlich daneben gelegen“.

Noch vor wenigen Monaten forderte Umweltminister Söder bei Spiegel Online im Interview,. auch Alt-Reaktoren wie Isar 1 länger am Netz zu behalten, also das genaue Gegenteil von dem, was er heute sagt (ja ja, dieses Internet vergisst nie!). Bis letzte Woche noch skandierten die Unionspolitiker landauf landab: „Unsere Atomkraftwerke sind sicher“. Höhepunkt dieser lobbygetriebenen Autosuggestion war die Idee, Atommeiler vor Terroristen verstecken zu wollen. Mit Nebelmaschinen. Dazu der Bundeswehreinsatz im Inneren, evtl. könnte die Militärkapelle den Vorgang ja musikalisch untermalen mit „Smoke on the (Kühl-) water“.

Wenn Ihr mein Blog häufiger lest, wisst Ihr: ich habe nichts gegen Technik. Aber ich habe etwas gegen Technologieverblendung. Ich würde einem Atomreaktor nie trauen, selbst dann nicht, wenn er iPlant hieße und von Apple wäre. Ich liebe technische Spielereien. Aber Atomkraft ist kein Spiel. Mit der Laufzeitverlängerung hat die Bundesregierung im letzten Herbst kein Gesetz verabschiedet wie jedes andere, sondern Murphys Law: Was schief gehen kann geht auch schief.

Umgekehrt sollte man es jetzt auch nicht leicht machen und versuchen, die Ursache bei einem unsicheren Reaktor oder einen fehlerhaften Computer zu suchen. Schuld hat nie die Technik selbst, sondern der verantwortungslose Umgang damit. Dieses eigentliche Versagen lässt sich auch nicht durch rhetorische Taschenspiertricks wie dem Gerede von einem „Moratorium“ oder von einer „Brückentechnologie“ vernebeln.

„Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“, nicht von mir, sondern aus Spiderman. Auf einen Superhelden warten die Menschen in Japan in diesen Tagen vergebens. Er wird nicht kommen.

Atomkraft ja bitte? Wie hat Dein Abgeordneter gestimmt? Liste der namentlichen Abstimmung über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke am 28. Oktober 2010 im Deutschen Bundestag (PDF)

Eure Meinung zum Umgang der Politik mit den Ereignissen in Japan? Würde mich interessieren.


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16 Kommentare
  1. Mario S schreibt:

    Als Ergänzung zum Abstimmungs-PDF vom Oktober zeigt der ZDF-Parlameter das Abstimmungsergebnis auch noch wunderschön an: http://parlameter0.zdf.de/flash09/index.shtml?abstID=278

    Des Weiteren sind dort auch die Abstimmungen von heute ebenfalls mit drin

  2. Gartzenberg schreibt:

    Ganz einfach: verlogen. Wenn Brüderle vor ein paar Monaten noch ausgehende Lichter verkündet hat und jetzt plötzlich doch nichts dagegen hat, acht Meiler abzuklemmen, dann ist das an Scheinheiligkeit in meinen Augen nicht zu überbieten.

    • Richard Gutjahr schreibt:

      @Gartenzwerg Komisch, was auf einmal alles geht. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

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